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Das Geringe

Wolfgang Kohlhaase erhält beim Deutschen Filmpreis im April den Ehrenpreis

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.
Personalie: Das Geringe

Dort, wo Leben stillsteht, geschieht am meisten. Kohlhaase beobachtet, er lässt leben, am liebsten an hinfälligsten Aufenthaltsorten (Prenzlauer Berg!), wo der »Sommer vorm Balkon« (Regie: Andreas Dresen) vier Jahreszeiten dauert.

Erinnerung. »Der nackte Mann auf dem Sportplatz« mit einem so herzstark leisen, sanften Kurt Böwe – ein mutig stiller, ein unterschätzter Film von Konrad Wolf über die größte Menschenkraft: einfach das Seine zu tun, ohne sich

dem Urteil der Welt unterzuordnen. Schwerste aller Künste. Die »Solo Sunny« der Renate Krößner: so viel schönes, gekerbtes, gedemütigtes und doch unbesiegliches Selbstbewusstsein einer jungen Frau, jenseits von staatlich verordneter Sonnigkeit. Das kleine Glück so erzählen, dass es wie Emanzipation klingt, und eine ist.

Kohlhaase, 1931 in Berlin geboren, begann 1947 als Redakteur der FDJ-Zeitschrift »Start«, später »Junge Welt«, seit 1952 ist er Drehbuchautor. Er schrieb auch Erzählungen (»Silvester für Balzac«) und das erfolgreiche Theaterstück »Fisch zu viert«. Als Journalist schrieb er zunächst Kritiken, konnte aber wirklich schreiben, musste also nicht Kritiker bleiben. Seine dichteste Filmrezension: »Die Hauptdarstellerin heißt Lotte Koch und filmt. Besser wäre, sie hieße Lotte Film und kochte.«

Der Vater war Maschinenschlosser, der Sohn sagt, in der Verwandtschaft keine Leute gekannt zu haben, »die nicht von ihrer Hände Arbeit lebten«. Leben in der DDR – er sprach oft von »Gegend«, nicht von »Staat« – nannte Kohlhaase eine Verbindung aus Zufall und Entscheidung. Zu jung, um für den deutschen Krieg Verantwortung zu empfinden, alt genug, um sich zuständig zu fühlen für einen Frieden, der Welt werden möge.

Die Drehbücher von »Alarm im Zirkus« (Regie: Gerhard Klein) bis »Ich war neunzehn« (Regie: Konrad Wolf), von »Berlin-Ecke Schönhauser« (Klein) bis »Mama, ich lebe« (Wolf), von »Eine Berliner Romanze« (Klein) bis »Die Stille nach dem Schuss« (Regie: Volker Schlöndorff): Filme aus einer gütigen Angst heraus entworfen – dass bei der Erzählung vom Menschen auch nur ein einziges Gefühl nicht beachtet, gar verloren gehen könnte. Liebe spricht mit Schmerzensschnauze, Traurigkeit singt schräge lustige Schlager.

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