nd-aktuell.de / 25.02.2011 / Politik / Seite 1

Ausländer können Terror entrinnen

Libyen versinkt im Bürgerkrieg / Gefechte um Tripolis / Gaddafi will Berater bleiben

Zehntausende Ausländer haben Libyen verlassen. Viele warten noch darauf, in Sicherheit gebracht zu werden. Während Libyens Staatschef Gaddafi in Tripolis um die Macht kämpft, scheint ihm der Osten des Landes mit seinen reichen Ölvorkommen bereits entglitten zu sein. Auch südwestlich der libyschen Hauptstadt toben Kämpfe.

Tripolis/Kairo (dpa/ND). Deutschland und weitere Staaten haben Kriegsschiffe zur Evakuierung von Bürgern aus den umkämpften Regionen Libyens entsandt. Nach Schätzungen des Auswärtigen Amts hielten sich am Donnerstag noch rund 160 Deutsche in Libyen auf. Um bei der Rettung zu helfen, wurden drei Schiffe der Bundesmarine mit insgesamt rund 600 Mann an Bord entsandt. Sie befänden sich auf dem Weg in die Bucht Große Syrte vor Libyen, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Auch Griechenland schickte eine Fregatte.

Hunderttausende Ausländer aus aller Welt warteten in Libyen auf ihre Ausreise auf dem See-, Luft- oder Landweg. Die EU forderte ihre Mitgliedsstaaten auf, in der Nähe stationierte Kriegsschiffe bereitzustellen, um die noch rund 6000 in Libyen befindlichen Europäer in Sicherheit zu bringen. Es sollten sämtliche Möglichkeiten geprüft werden, die EU-Bürger aus Libyen zu bringen, sagte Kommissionssprecher Raphael Brigandi.

Vor allem für die asiatischen Länder sind die logistischen Herausforderungen groß. In Libyen sitzen mehr als 150 000 asiatische Arbeiter fest. China charterte für 15 000 seiner mehr als 33 000 in Libyen arbeitenden Bürger vier griechische Fähren und schickte Charter-Flugzeuge nach Tripolis. Die Türkei spielt bei der Rückholaktion eine wichtige Rolle: Ankara erlaubte 21 Staaten, ihre Bürger über die Türkei heimzuholen.

Libysche Truppen, die auf den Befehl von Staatschef Muammar al-Gaddafi hören, sollen am Donnerstag die Stadt Al-Sawija südwestlich der Hauptstadt Tripolis angegriffen haben. Al-Sawija gleiche einem »Schlachthaus«, sagte ein Augenzeuge am Donnerstag dem arabischen Sender Al-Arabija.

Gaddafi selbst meldete sich mit einer weiteren bizarren Rede zu Wort. Der Herrscher, der vom libyschen Fernsehen diesmal nicht gezeigt, sondern nur per Telefon zugeschaltet wurde, erklärte, in Al-Sawija spiele sich derzeit eine »Komödie« ab. »Wenn ihr einander töten wollt, dann tut das«, sagte er an die Adresse der Einwohner der Stadt.

Gaddafi-Sohn Saif al-Islam widersprach Berichten über Angriffe der libyschen Luftwaffe auf Zivilisten. Seit Beginn der Unruhen seien einige wenige Menschen gestorben, sagte er im libyschen Rundfunk. »Aber (...) von Hunderten oder Tausenden zu sprechen und von Luftangriffen, das ist ein Witz selbst vom militärischen Standpunkt aus«, sagte er.

Al-Saadi, ein anderer Gaddafi-Sohn, sagte der »Financial Times« am Donnerstag in einem Telefoninterview, 85 Prozent des Landes seien »sehr ruhig und sehr sicher«. Sein Bruder Saif al-Islam arbeite derzeit an einer Verfassung für Libyen. Sein Vater werde künftig als Berater einer neuen Regierung fungieren, sagte Al-Saadi. »Mein Vater wird bleiben als großer Vater, der Ratschläge gibt.«