nd-aktuell.de / 28.02.2011 / Kultur / Seite 16

Humor oder Witz?

Stemann am DT:

Hans-Dieter Schütt

Die Geschichte der Liederabende an deutschen Theatern ergibt eine sehr eigene Historie. Wittenbrink und Marthaler markieren jüngste gesungene Vorzüglichkeiten, und wenn nun Margit Bendokat, divenartig aufgeziegelt, die Bühne des Deutschen Theaters betritt, dann verlängert sich die Assoziation dieser Abende bis zurück zu Adolf Dresen und der legendären Volkslieder-Inszenierung an diesem Haus.

Regisseur Nicolas Stemann, jelinekgestählt, ist ein leidenschaftlicher Versöhner von Comedy und Shakespeare, Drama und Revue. »Aufhören! Schluss jetzt! Lauter. 12 letzte Lieder« heißt sein eigener Abend am DT. Roter Samtvorhang, Drehbühne mit Revuetreppe, Videos, kleine Kulissenhäuschen und etwas größere Zelte, lauter Örtlichkeiten fürs grelle Panorama der modernen Verlorenheit, des Psychodrucks, der übermalten Existenzblässe des depressiven Menschen.

Dieser Liederabend hat, was ein Liederabend benötigt: Lieder, denen ein Abend gerade lang genug ist. Nicolas Stemann singt am Klavier vom Traum, ein »sonderbarer Kauz« zu werden, und zum Eindrücklichen der zwei Stunden gehört, dass der Regisseur ein toller Musiker ist. Schauspieler Felix Goeser schlägt mit seinen Trommelstöcken, was das Zeug hält: Schlagzeuger eben. Barbara Heynen kann eine Sexpuppe spielen, ein bisschen verschmierter Lippenstift, und der o-offene Puppenmund der Aufblasbaren erzählt eine ganz traurige Menschengeschichte. Maria Schrader ist eine sehr ansehnliche, anhörenswerte Geschmeidigkeit, und Andreas Döhler macht wieder das bezwingend verdutzte Kindsgesicht. Jeder, jede hat schreiende wie melancholische Momente, das Programm hat witzige Stellen, bleibt aber eher eine künstlerische Lockerungsübung mit routiniert, geschickt benutzten Vesatzstücken.

Margit Bendokat liest Geschichten vom letzten Blatt am Baum, von Hase und Igel und deren Tod unter Traktorreifen, vor allem aber von Herrn Kautner, der unbedingt aufhören will. Und jetzt ist und bleibt hier die Frage, womit. Das ist immer die Frage: aufhören mit Sinnproduktion? Mit dem ganzen Theater, das kein Leben ist? Mit dem Leben, das nur zum Theater reicht? Mit den Lügen, den Banalitäten, den Drogen, den tumben Talks mit Köhler, Käßmann und sonstigen Öffentlichkeitsersatzfiguren?

Irgendwann taucht auch mal die Frage auf, wann der Liederabend aufhört. Da ist aber erst eine der über zwei Stunden vorbei.

Nächste Vorstellung: 6. März