Sarrazin als »Arsch« beleidigt?

LINKE-Politiker Helmut Manz muss sich heute vor Gericht verantworten / Der Philosoph, Jahrgang 1967, ist Vize-Sprecher der NRW-LINKEN

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Sarrazin als »Arsch« beleidigt?

ND: Sie stehen als Angeklagter vor dem Amtsgericht Dortmund, weil Sie Thilo Sarrazin beleidigt haben sollen, den früheren Berliner Senator, Bundesbanker und umstrittenen Autor des Bestsellers »Deutschland schafft sich ab«. Sie sollen den Mann als »Arsch« bezeichnet haben. Mögen Sie Ihr Gewissen vorab erleichtern, indem Sie bereits jetzt ein Geständnis ablegen?
Manz: Ich wurde in der Presse bereits vorverurteilt. Aber ich bin unschuldig im Sinne der Anklage. Ehrenwort: Ich würde Sarrazin niemals als »Arsch« verharmlosen. Tatsache ist: Ich habe ihn »Faschist« genannt – und zwar auf einer Demonstration gegen einen Auftritt Sarrazins auf Einladung des Dortmunder Unternehmerverbandes. Falls Sarrazin mich aber deswegen verklagen würde, müsste er mit noch unangenehmeren Beweisanträgen rechnen als das jetzt schon der Fall ist.

Wollen Sie mit Ihren Beweisanträgen etwa belegen, dass der Bundesbanker tatsächlich ein »Arsch« ist?
Nein, wir beziehen uns auf Sarrazins eigene Verwendung dieses Wortes in der Öffentlichkeit – im Rahmen seiner Imagebildung als »Klartext-Politiker«. Am spektakulärsten war Sarrazins Beschimpfung von Michel Friedman als »Arschloch« am 30. August 2010. Mit dem selben Wort belegte er aber beispielsweise auch Oskar Lafontaine und Studenten, die sein Büro besetzten.

Sie fordern, Sarrazin selbst solle als Zeuge aussagen. Aber er war doch gar nicht zugegen, als die Straftat verübt worden sein soll...
Er selbst beschimpft andere permanent vor einem Millionenpublikum als »Arschloch«. Dazu würden wir ihn gerne befragen. Darf so jemand das allgemeine Persönlichkeitsrecht für sich in Anspruch nehmen, wenn ihm das selber widerfahren sollte? Ob Sarrazin in den Zeugenstand muss, ist unklar, das hängt auch vom Richter ab.

Verklagt wurden Sie von Sarrazin, nachdem zwei Staatsschutzpolizisten ihn auf die angebliche Beleidigung hingewiesen hatten. Die Staatsanwaltschaft Dortmund beantragte einen Strafbefehl über 50 Tagessätze, macht 1500 Euro. Wie erklären Sich sich das recht rege behördliche Interesse an der Strafverfolgung?
Ich befürchte, dass es hier darum geht, die Kategorie des »ehrenwerten Faschisten« zu schaffen. Nach dem Motto: Das ist ein ehrenwerter Mensch, gegen den darf man nicht demonstrieren, oder wenn, dann mit vorgehaltener Hand. Das Ziel heißt Abschreckung. Das würde aber genau jenen Effekt haben, den ich dem Dortmunder Unternehmerverband seinerzeit vorwarf: Den Faschismus salonfähig machen.

Apropos ehrenwert: Sarrazins Gattin Ursula, von Beruf Grundschullehrerin, soll einen der ihr anvertrauten Dreikäsehochs mit einer Blockflöte geschlagen haben. Sie kontert den Vorwurf mit dem Hinweis, dafür sei ihr die Flöte »viel zu schade«. Sohn Richard muss als 1-Euro-Jobber auf dem Friedhof malochen und lobt den – verglichen mit seinem als eng und streng empfundenen Elternhaus – hohen Grad an Selbstbestimmung. Ihre Spekulation: Wie sehr muss Thilo Sarrazin daheim leiden?
Ich glaube, dass Thilo Sarrazin in der Tat ein Opfer physischer und psychischer Gewalt wurde, allerdings bereits in den 1950er-Jahren, als das leider sehr üblich war. Er ist ja umerzogener Linkshänder, soll auch gestottert haben. In seinem Buch verwendet er den Begriff »narzisstische Kränkung«, um Gewalt gegen Kinder zu verharmlosen. Für mich ist er ein typischer autoritärer Charakter im Sinne der Frankfurter Schule.

Fragen: Marcus Meier

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