nd-aktuell.de / 12.03.2011 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Risiko fürs Grundwasser

Gewerkschaften uneins über Kohlendioxid-Speicherung

Hanno Böck
Unter dem Titel »Brückentechnologie oder Krückentechnologie?« lud der DGB am Donnerstag zu einem Workshop über die kontrovers diskutierte Kohlendioxid-Abscheidetechnologie CCS. Der DGB Berlin-Brandenburg hatte sich im Vorfeld zurückhaltend positiv über CCS geäußert, aber auf der Veranstaltung kamen vor allem Kritiker zu Wort.

Mit der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) sollen Kohlekraftwerke klimafreundlicher werden. Kohlendioxid wird dabei im Kraftwerk abgeschieden und in unterirdischen Gesteinsschichten eingelagert. In den Gewerkschaften ist das Thema umstritten: Während sich allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Zukunft bei den erneuerbaren Energien liegt, wo gerade neue Arbeitsplätze entstehen, gibt es weiterhin eine starke Lobby für die Kohlewirtschaft. Vor allem die IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie), die Arbeiter aus Kohletagebauen und -kraftwerken vertritt, sieht in CCS eine große Chance.

Positionspapier des DGB

Der DGB Berlin-Brandenburg hatte im Vorfeld der Veranstaltung in einem Positionspapier versucht, den verschiedenen Interessen gerecht zu werden: Man sei für CCS-Demonstrationsprojekte, allerdings sei ein großtechnischer Einsatz nur bei garantierter Sicherheit zu verantworten, heißt es darin. Gegen die Demonstrationsprojekte im brandenburgischen Beeskow und Neutrebbin gibt es aber massive Proteste aus der Bevölkerung.

Den Part des klaren CCS-Befürworters übernahm am Donnerstag Hubertus Altmann, Vorstand der Abteilung Kraftwerke bei Vattenfall Europe. Er hielt seinen Vortrag, musste aber wegen eines wichtigen Termins vor der abschließenden Podiumsdiskussion die Veranstaltung verlassen. Vertreter von Bürgerinitiativen, die im Publikum zahlreich präsent waren, fanden hierfür deutliche Worte: Vattenfall kneife wie bei früheren Gelegenheiten vor der Diskussion mit Kritikern.

Ernst Kern vom Wasserverband Nord sieht seine Branche durch CCS bedroht: »Wir brauchen unser Grundwasser nicht mehr von oben zu schützen und die Menschen mit Wasserschutzgebieten oder ähnlichen Maßnahmen zu belästigen, wenn es von unten bedroht wird«, so die deutliche Ansage von Kern. Wenn Kohlendioxid in großen Mengen in den Boden eingepresst werde, könne Salzwasser verdrängt werden und in Süßwasser führende Schichten eindringen

Der Geologe und Geochemiker Ralf Krupp sieht vor allem in der durch CCS sinkenden Effizienz ein großes Problem. Moderne Kohlekraftwerke haben schon jetzt einen geringen Wirkungsgrad von etwa 40 Prozent. Kommt die CCS-Technologie irgendwann zum Einsatz, rechnet Krupp mit einer weiteren Verschlechterung. Dann werde doppelt so viel Kohle für die gleiche Energiemenge benötigt. Der Energieverbrauch für die Abscheidung und den Transport des Kohlendioxids sei bislang aber nicht hinreichend berücksichtigt worden, so der Experte.

Lecks in Vorzeigeprojekten

Krupp zweifelt ferner daran, dass die CCS-Technik jemals funktionieren werde. Er verwies dabei auf das derzeitige CCS-Vorzeigeprojekt im kanadischen Weyburn, wo Kohlendioxid zur Erhöhung der Ausbeute in ein Ölfeld injiziert werde. Ein lokales Farmerehepaar hatte von CO2-Austritten in Seen und sterbenden Tieren berichtet; eine Studie bestätigte, dass das Kohlendioxid aus dem CCS-Projekt stammt. Ein anderes Forschungsinstitut bestreitet zwar diese Darstellung – es steht allerdings der Ölindustrie nahe, die großes Interesse an der Weiterführung des Projektes hat. Auch bei einem weiteren internationalen Vorzeigeprojekt in Norwegen gibt es Krupp zufolge deutliche Anzeichen für Leckagen – bei seismologischen Untersuchungen konnten nur etwa drei Viertel der injizierten Kohlendioxid-Menge wiedergefunden werden. Doch die ganze CCS-Technologie macht nur dann Sinn, wenn das Klimagas auf Dauer im Boden bleibt.