Stürmischer Start in die Gartensaison

Mecklenburg-Vorpommerns Abwasserverordnung sorgt für Ärger

  • Jens-Uwe Berndt, Rostock
  • Lesedauer: 3 Min.
In Mecklenburg-Vorpommern spalten sich die Kleingartenfreunde an der Abwasserfrage. Viele sind von den alten Verbandsführungen enttäuscht.

In den 80 000 Kleingärten von Mecklenburg-Vorpommern gibt es in diesem Jahr schon vor Beginn der Gartensaison mächtig viel Unruhe. Grund ist die im Landtag bereits 2009 beschlossene Verordnung zur Abwasserentsorgung im ländlichen Raum, nach der offenbar auch die Parzellenbesitzer ihr Abwasser in geschlossenen Behältern sammeln und abfahren lassen müssen. Gerüchte über Kosten für Anschaffung und Einbau der Ökotonnen bis zu 3000 Euro machten schon sehr früh die Runde.

Vertreiber solcher Behälter sowie Entsorgungsunternehmen standen auch bald auf der Matte, obwohl die Umrüstung der Parzellen auf Grundlage der EU-Richtlinie zum Grundwasserschutz erst bis 2014 zu erfolgen hat. Nach einem Ministererlass und Anweisungen der Unteren Wasserbehörden brachen sich erste Proteste bereits 2010 Bahn und setzten die Kleingartenverbände und Umweltminister Till Backhaus (SPD) unter Druck. Der forderte jedoch lange Zeit eine Umsetzung der Verordnung ohne Wenn und Aber.

Vereine treten aus

Mittlerweile gibt es in dieser Angelegenheit in Mecklenburg-Vorpommern flächendeckend Ärger. Einzelne Vereine verließen die Kreis- und Landesverbände der Gartenfreunde; in Rostock formierte sich im Herbst 2010 eine Initiativgruppe »Kleingärtner« (IGK), die dem allgemeinen Unmut der Hobbygärtner eine Stimme geben will. Seitdem die Gruppe seit Anfang Februar im Internet zu finden ist, wird die Welle des Protestes von Woche zu Woche größer.

»Ich bekomme täglich bis zu 50 E-Mails«, sagt Eberhard Vent (66) von der IGK. »Immer mehr erheben die Stimme gegen ihre Kreisverbände, die nicht die Interessen ihrer Mitglieder vertreten.« Es sei offensichtlich, dass zum Beispiel der Verband der Gartenfreunde Rostock »nur die Ziele des Landwirtschaftsministers durchsetzen will, um ihm Vollzug zu melden«. Besonders die Weigerung der gewählten Vertreter, die Protestinitiatoren bei einer Unterschriftensammlung gegen die Verordnung zu unterstützen, zeriss das Band zwischen Basis und Vorständen.

Der Minister lenkt ein

Der Versuch des Geschäftsführers des Rostocker Verbandes der Gartenfreunde, Michael Kretzschmar, mit der IGK wieder in den Dialog zu treten, scheint zu spät zu kommen. Denn erst vor kurzem hat sich der Kreisverband der Gartenfreunde Bad Doberan in den Landesverband der Freunde des Gartens umgewandelt und damit ganz offiziell bekundet, dass man die alten Strukturen nicht mehr will.

Minister Till Backhaus sah sich Anfang März gezwungen, einzulenken. Er ließ verlauten, dass lediglich in mit Spültoilette und Dusche ausgestatteten Lauben das Abwasser gesammelt oder geklärt werden müsse. Wenngleich das vom alten Landesverband der Gartenfreunde unter der Leitung des Vorsitzenden Detlev Rauch als Teilerfolg begrüßt wird, bleiben viele an der Basis rigoros: Sie verlangen die Beibehaltung des Status quo in allen Kleingartenanlagen des Landes. Kompromisse werden abgelehnt. Dies wurde jetzt auf einer vom Rostocker Kreisverband der LINKEN organisierten Podiumsdiskussion in Rostock/Lütten Klein überdeutlich, als Entscheidungsträger den aufgebrachten Laubenpiepern Rede und Antwort standen. Die IGK-Vertreter erteilten vor hunderten von Betroffenen dem Vorschlag des Ministers eine Abfuhr. Zugleich schlugen sie auch die Unterstützung der LINKEN aus. Man wolle sich nicht parteipolitisch einbinden lassen, sagte IGK-Mitstreiterin Simone Wilken (44).

Wolfgang Methling, Kreisvorsitzender der LINKEN, bedauerte die Haltung der IGK. Er stellte erstaunt fest, dass man seiner Partei zum Vorwurf mache, dass sie sich des Themas annehme und Hilfsbereitschaft signalisiere. Man sei aber trotzdem jederzeit bereit, denen, die die Unterstützung der LINKEN wollen, Hilfe zukommen zu lassen. Methling warnte davor, gegen die Neuregelung vorgehen zu wollen, ohne sich Mehrheiten in den Parlamenten zu schaffen.

Soziale Rückzugsgebiete

Die neuen Richtlinien zur Abwasserentsorgung in Kleingärten bedeuteten für eine Vielzahl der Parzellenbesitzer das Ende ihres Hobbygärtnerdaseins, so die IGK. Die Kosten bei den geschlossenen Behältern stünden in keinem Verhältnis zur anfallenden Abwassermenge. Pro Person würden pro Tag lediglich 3,6 Liter produziert. Und das nur in der Vegetationszeit. Kleingärten seien vor allem Rückzugsgebiete sozial schwächerer Schichten, die sich gerade mal die Pacht, aber keine Investitionen leisten könnten.

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