Eine neue Runde im Kampf um das Manna

Junge EU-Staaten wollen höheren Anteil an Agrarhilfen / Großbetriebe in Ostdeutschland könnten die Zeche zahlen

  • Mirjam Stöckel, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Agrarpolitik ist mit einem Anteil von 40 Prozent noch immer der größte Posten im EU-Haushalt. Doch der Anteil soll sinken – und die Mittel sollen gerechter verteilt werden. Entsprechend hart wird um den künftigen Geldsegen gekämpft.

Manches Mal verstecken sich große Kampfansagen in kleinen Sätzen. »Ich sehe keine Gründe, auf diese Idee zu verzichten«, ist so ein Satz. Gesagt hat ihn EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos. Es ging um seinen Plan, Agrarsubventionen für Großbetriebe zu deckeln – und gerichtet war er an die Landwirtschaftsminister der 27 EU-Staaten. Denn sie haben »erheblichen Widerstand« gegen einen zentralen Punkt der geplanten Agrarpolitik-Reform angekündigt: eine Höchstgrenze für EU-Subventionen an einzelne Großbetriebe. Vor allem für Betriebe in den ostdeutschen Bundesländern fürchtet Agrarministerin Ilse Aigner finanzielle Einbußen, falls sich der in seiner ruhigen Beharrlichkeit oft unterschätzte Agrarkommissar durchsetzen sollte.

Die Debatte über die Frage, unter welchen politischen Rahmenbedingungen Europas Landwirte von 2014 an wirtschaften sollen, ist also in vollem Gange – und es wird hart verhandelt werden. Zwar ist es Aufgabe des rumänischen EU-Agrarkommissars, einen Entwurf für die neuen Vorschriften auszuarbeiten. Letztlich entscheiden werden aber die EU-Staaten im Ministerrat und das EU-Parlament gemeinsam.

Dass die EU-Agrarpolitik nach der letzten großen Reform im Jahr 2003 eine weitere Überarbeitung braucht, leugnet in Brüssel niemand. Zu massiv war in der Vergangenheit die öffentliche Kritik an den bisherigen Regeln: Das derzeitige Subventionssystem stützte vor allem Großbetriebe, hieß es, und selbst Industrieunternehmen, die ihre Flächen gar nicht landwirtschaftlich nutzen, profitierten immer wieder von den Agrarmillionen aus Brüssel. Dem europäischen Steuerzahler, aus dessen Portemonnaie die Agrargelder letztlich stammen, sei das nicht mehr plausibel zu erklären, findet selbst die EU-Kommission.

Nicht zuletzt verlangen die jüngeren EU-Staaten in Ost- und Südosteuropa eine gerechtere Verteilung der Agrarhilfen. Sprich: mehr Geld für ihre Landwirte. Denn deren Flächenprämien-Sätze liegen derzeit teils deutlich unter den Summen, die Bauern in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten erhalten. Auch die Landwirte selbst kritisieren die gegenwärtigen Vorschriften: Sie klagen vor allem über erhebliche Bürokratie.

»Die Agrarpolitik muss umweltfreundlicher, gerechter, effizienter und wirkungsvoller gestaltet werden«, sagt Kommissar Ciolos. Sie müsse eine ausreichende Lebensmittelproduktion in Europa sicherstellen, die Landwirtschaft ökologischer machen und dafür sorgen, dass diese in den verschiedensten Regionen Europas überlebt. All das steht in Ciolos’ Grundsatzpapier vom November 2010. Nach langen Verhandlungen haben die EU-Agrarminister diese Ziele der neuen Agrarpolitik am 17. März mehrheitlich gebilligt, einzelne Vorschläge, wie die Förderhöchstgrenze für Großbetriebe, aber eben auch zurückgewiesen. Im EU-Parlament läuft der Abstimmungsprozess zwar noch, doch einige Forderungen sind bereits klar: »Die Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik nach 2013 muss die Bürokratielast für die Landwirte deutlich verringern«, sagt Albert Deß (CSU), der das Thema im EU-Parlament federführend betreut. »Und die von der Kommission vorgeschlagenen ökologischen Maßnahmen dürfen nicht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirte gefährden.«

Schon jetzt ist klar: Besonders viel gestritten wird in den nächsten Monaten über die Frage, wer fortan wie viel EU-Geld bekommen wird. Deutschland und einige andere EU-Staaten wollen, dass nicht nur die Direktzahlungen an die Landwirte aus der sogenannten ersten Säule umverteilt werden. Sie setzen sich dafür ein, dass auch die Gelder aus der zweiten Säule, aus der beispielsweise Umweltprogramme und die Entwicklung des ländlichen Raums finanziert werden, neu verteilt werden. Aus diesem Topf nämlich fließt im Moment überdurchschnittlich viel Geld in die jüngeren EU-Staaten. Dabei ist ein wesentlicher Punkt derzeit noch völlig offen: Welche Summe steht in Zukunft überhaupt noch zur Verfügung? Zuletzt machte das Agrarbudget über 40 Prozent des EU-Haushalts aus – fast 60 Milliarden Euro pro Jahr. Janusz Lewandowski, der EU-Haushaltskommissar, will diesen Anteil in Zukunft deutlich senken.

Sobald absehbar ist, wie viel Geld in den Brüsseler Agrarfördertöpfen übrig bleibt, gehen die Verhandlungen über die Agrarreform in die nächste Runde: Im Herbst wird Ciolos konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen. Darin wird er wohl nicht nur die umstrittene Einführung einer Förder-Höchstgrenze für Großbetriebe vorschlagen – sondern auch, wie die Mittel künftig fairer zwischen den Staaten verteilt werden sollen. »Dann geht es ans Eingemachte«, sagt Österreichs Agrarminister Nikolaus Berlakovich. Manches Mal sind die großen Kampfansagen in den kleinen Sätzen eben auch sehr offensichtlich.

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