nd-aktuell.de / 26.03.2011 / / Seite 23

Ruth Fischer

Mario Keßler

Sie war die erste Frau in Deutschland und Europa an der Spitze einer Massenpartei und die prominenteste Kronzeugin im antikommunistischen Feldzug der späten 40er Jahre. Ihr Name ruft auch heute noch Emotionen hervor. Denn sie war eine Frau der Extreme.

Geboren in Leipzig, aufgewachsen in Wien als Tochter des nichtreligiösen jüdischen Philosophen Rudolf Eisler, gelangte Ruth Fischer (1895-1961; Foto: Karl Dietz Verlag) nach dem Ersten Weltkrieg ebenso zur Berühmtheit wie ihre Brüder, der Komponist Hanns und der KPD-Politiker Gerhart Eisler. Ihren Geburtsnamen tauschte sie gegen ein Parteipseudonym ein. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Arkadij Maslow gehörte sie in der jungen KPD zum ultralinken Flügel. Sie bekämpfte 1923 das Projekt einer Arbeiterregierung von Kommunisten und linken Sozialdemokraten und gelangte nach dem Scheitern der Revolutionshoffnungen an die Spitze der Partei, deren Vorsitzende sie 1924/25 war. Die ideologische Gleichschaltung der KPD, die »Bolschewisierung«, ist eng mit ihrem Namen verbunden. Doch nachdem sie Sinowjew und Stalin diesen Dienst geleistet hatte, wurde sie von der Führung verdrängt und 1926 mit Maslow aus der KPD ausgeschlossen. Einem Zwischenspiel im Leninbund folgte die Arbeit als Sozialfürsorgerin und 1933 die Emigration nach Frankreich.

Von dort gelangte sie in die USA, während ihr Sohn nach England ging; Maslow musste in Kuba verbleiben, wo er 1940 ermordet wurde. Ruth Fischer vermutete mit Recht die Hand Stalins und zu Unrecht eine Beteiligung ihres Bruders Gerhart. Fortan bekämpfte sie nicht nur den Stalinismus, sondern beschuldigte 1947 auch ihren Bruder vor dem Untersuchungsausschuss zur Bekämpfung »unamerikanischer« Aktivitäten, »Drahtzieher« einer kommunistischen »Subversion« in den USA zu sein. Die Reformpolitik Nikita Chruschtschows, aber auch die schleichende Rehabilitierung alter Nazis in der Bundesrepublik und nicht zuletzt der antikoloniale Befreiungskampf bewogen sie zum politischen Umdenken. Ihre letzten Lebensjahre, die sie in Paris als politische Schriftstellerin verbrachte, waren vom Bemühen der Wiedergutmachung geprägt. Sie kritisierte den Antikommunismus und hoffte, links von der SPD könne eine starke sozialistische Partei entstehen. Sie wurde zur Ratgeberin für den SDS im Konflikt mit der SPD nach deren Godesberger Programm.

Am 13. März 1961 starb Ruth Fischer in Paris.