nd-aktuell.de / 01.04.2011 / Kultur / Seite 4

Humorist

Tilman Spengler / Der Autor darf nicht zur Ausstellungseröffnung nach Peking einreisen

H.-D. Schütt

Wenn in Peking, so schrieb Dichter Hanns Cibulka, ein Bürgerrechtler verhaftet werde, gerate Europa in Fieber, aber »wenn in Großstädten Südamerikas die Straßenkinder vegetieren und von bezahlten Mördern erschossen werden, damit sich keine bettelnde Hand den Touristen entgegenstreckt, dann spielen Verantwortliche weiter Tennis mit goldenen Bällen.«

Ja, immer wieder: Ja. Aber ...

Es mutet schlichtweg so plusternd wie peinlich an, wenn ein deutscher Autor keine Einreise nach Peking erhält. Tilman Spengler sollte an der heutigen Eröffnung der Ausstellung »Die Kunst der Aufklärung« teilnehmen. Er ist jedoch »kein Freund des chinesischen Volkes«. Ein einzelner Mensch!, der seine Meinung hat, mehr nicht – und ein Reich der Unzähligen greift zu diesem Mittel. Dies verstärkt den Eindruck einer Grundfurcht. Die zwar nicht zu einer Weltmacht passt, aber leider zum (Klischee-)Bild eines Einparteien-Systems, das man zu demokratischen Selbstverständlichkeiten und geistiger Gelassenheit nach wie vor unter Druck setzen muss. Und das sich unter Drucktechniken nur immer neu blamiert. Aber doch dagegen ohmächtig bleibt, dass Moral, wie die Erzählerin Herta Müller schreibt, »ganz leise und ganz stur funktioniert«. Siehe Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der für elf Jahre im Staatsgriff verschwinden soll. Im vorigen Jahr hielt Spengler die Laudatio, als Liu Xiabao die Hermann-Kesten-Medaille bekam. Eine nachhaltige Rede? Man merkt's daran, wie nachtragend Peking ist.

Autor Spengler, 1947 in Oberhausen geboren, ist Genießer in Elitennähe; eine gewisse Eitelkeit sorgt dafür, dass kritische, witzige Intelligenz diese Nähe nicht wirklich gefährdet. Er ist auch Humorist, was zu schwerer Sinnesstörung führte: zum Redenschreiben bei Kanzler Schröder. Er war Mitarbeiter des Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker, und sein Roman »Lenins Hirn« entwarf eine ironische Biographie des Nervenarztes Oskar Vogt, der 1925 in Moskau Lenins Gehirn auf Merkmale der Genialität untersuchte.

Sinologe ist Spengler auch, häufig hat er seine Zunft kritisiert, sie würde zu den politischen Verhältnissen in China gar zu bedenklich schweigen – was in auffälligem Gegensatz stehe zur früheren Glorifizierung Maos.