nd-aktuell.de / 26.06.2002 / Ratgeber
Den Chef zu spät über Schwangerschaft informiert
Ab Mai 1999 arbeitete eine junge Frau bei einem Handelsunternehmen als »Promotion-Mitarbeiterin«: Sie verteilte Zeitungen an Passanten. Ihr Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 29. Juli, es sollte Mitte August enden.
Am 17. August stellte der Frauenarzt bei der Arbeitnehmerin eine Schwangerschaft in der siebten Woche fest. Mit diesem Argument wehrte sich die Frau nun gegen die Kündigung: Sie verstoße gegen die Bestimmungen des Mutterschutzes.
Danach ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft weiß oder sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach der Kündigung mitgeteilt wird.
Im konkreten Fall hatte die Arbeitnehmerin am 18. August einen Brief an den Arbeitgeber geschickt, in dem sie ihn über ihre Schwangerschaft informierte. Der Arbeitgeber bestritt, diesen Brief erhalten zu haben und beharrte auf der Kündigung. Erst in einem Telefonat am 22. September habe sie ihn über ihre Schwangerschaft unterrichtet, also viel zu spät, um noch Mutterschutz beanspruchen zu können.
Das Bundesarbeitsgericht wies diesen Einwand zurück und erklärte die Kündigung für unwirksam (2 AZR 730/00). Beim Zugang der Kündigung sei die Frau bereits schwanger gewesen. Nach der Untersuchung beim Frauenarzt habe die Arbeitnehmerin alles getan, was von ihr erwartet werden konnte, um den Arbeitgeber zu informieren. Sie habe unverzüglich die Schwangerschaftsbescheinigung mit einfachem Brief zur Post gegeben. Dass der Brief auf dem Postwege möglicherweise verloren gegangen sei, sei nicht der Arbeitnehmerin anzulasten: Auf die ordnungsgemäße Beförderung des Schreibens durch die Post dürfe diese vertrauen.
Zwar habe der Arbeitgeber deshalb von der Schwangerschaft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zweiwochenfrist erfahren, sondern erst Wochen später; die Verzögerung gehe aber nicht auf das Konto der Arbeitnehmerin.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2002 - 2 AZR 730/00
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