nd-aktuell.de / 09.04.2011 / Politik / Seite 16

Kein Herz für Bauwagen

Die Wagenburg Zomia soll aus dem Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg verschwinden

Rainer Kreuzer, Hamburg
Bis Ende April läuft die Frist, dann muss die Hamburger Wagenburg Zomia von ihrer grünen Oase verschwinden. Das Bezirksamt Mitte zeigt sich bisher nicht kompromissbereit, doch GAL und Linkspartei streiten für eine Akzeptanz der alternativen Wohnform.
Simon Holzapfel und Stefanie Mehring lassen sich nicht entmutigen.
Simon Holzapfel und Stefanie Mehring lassen sich nicht entmutigen.

Das Hamburger Bezirksamt Mitte will den neuen Bauwagenplatz Zomia im Stadtteil Wilhelmsburg bis Ende April räumen. Kompromisse und eine Verlängerung der seit Dezember geltenden Duldung schloss Lars Schmidt-von Koss, Pressesprecher des Bezirksamtes, »klipp und klar« aus. »Die Fläche ist als Industriegebiet ausgewiesen.« Und andere Standorte für eine Wagenburg gebe es nicht.

Am 30. April ist Schluss mit lustig. So will es der sozialdemokratische Bezirksamtsleiter Markus Schreiber, der in der breiten Protestbewegung Recht auf Stadt seit Langem als Hardliner verrufen ist. Für den neuen SPD-Senat ist der Konfrontationskurs des Lokalfürsten die erste Bewährungsprobe, wie künftig mit außerparlamentarischen Initiativen in der Hansestadt umgegangen wird. Die 15 Bewohner des Bauwagenplatzes zeigen sich bislang von der »Krawallschiene« Schreibers nicht großartig beeindruckt. »Wir lassen uns nicht entmutigen«, sagt Bewohner Simon Holzapfel. »Ich rechne im Moment nicht damit, dass es zu einer Räumung kommt. Es ist zur Zeit sehr viel in Bewegung.« Die Initiative verhandele weiterhin mit Politikern aller Parteien und habe ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn entwickelt.

Die GAL will am Donnerstag kommender Woche in der Bürgerschaft einen Beschluss herbeiführen, dass der neue Senat auf das Bezirksamt Mitte einwirken soll, den Bauwagenplatz Zomia bis Ende 2011 zu dulden, und »dass gemeinsam mit dem Verein Zomia e.V. und den zuständigen Behörden nach einem Platz für die dauerhafte Ansiedlung eines Bauwagenplatzes in vergleichbarer Größe gesucht wird.« Auch die LINKE unterstützt die alternative Wohnform und fordert eine weitere Liberalisierung des Wohnwagengesetzes, das bereits 1999 von Rot-Grün gelockert worden ist. »Das Leben und Wohnen auf Bauwagenplätzen muss dauerhaft legalisiert werden. Diese seit Jahrzehnten praktizierte Wohnform ist zu einem alternativen Lebenskonzept geworden«, argumentiert die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christiane Schneider. »Angesichts der drastischen Wohnungsnot in Hamburg sollte diese gesetzliche Novellierung sofort erfolgen.«

Die SPD hingegen drückt sich bislang vor einer klaren Aussage und setzt offenbar auf Zeitgewinn. Andreas Dressel, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion, ließ über seine Sprecherin schriftlich mitteilen: »Ich werde meiner Fraktion empfehlen, den GAL-Antrag in den Stadtentwicklungsausschuss zu überweisen, um die Möglichkeit zu haben, sich noch intensiver mit der Situation zu befassen.« Das Tauziehen dürfte somit bis zum letzten Tag weitergehen.

Die Gruppe Zomia hatte sich im vergangenen Herbst zusammengefunden und an mehreren Stellen mit ihren mobilen Behausungen niedergelassen. Immer wieder war sie vertrieben worden, bis alle Fraktionen in der Bezirksversammlung Mitte Anfang Dezember den jetzigen Ort am südlichen Hafenrand als befristete Winterbleibe akzeptierten. Die Bewohner wollen mit ihrer noch immer provokativen Lebensform auch gegen die zunehmende Wohnungsnot in Hamburg protestieren und selber zeigen, wie man mit wenig Geld selbstbestimmten Wohnraum schaffen kann, ohne von Vermietern abhängig zu sein. »Wir setzen uns für Wohnwagenplätze als Teil einer vielfältigen Gesellschaft ein«, konstatiert Bewohner Holzapfel.

In Hamburg führen Projekte dieser Art schon seit Jahrzehnten immer wieder zu Konflikten. Bauwagensiedlungen werden seit den 1980er Jahren phasenweise geduldet, dann aber wieder mit Polizeigewalt vertrieben. Höhepunkt der Auseinandersetzungen war im Herbst 2002 die Räumung der Wagenburg Bambule unter Innensenator Ronald Schill. Damals kam es wochenlang zu Straßenschlachten. Inzwischen haben die Behörden für fünf Wagenplätze vertragliche Lösungen geschaffen, so dass dort dauerhaft gewohnt werden kann.