LINKE zum Sündenbock gestempelt

Nach Berichten tritt ein Mitarbeiter der Partei als Anmelder der Revolutionären 1. Mai-Demo zurück

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Versammlungsfreiheit ist in der Demokratie ein hohes Gut. Soweit friedlich demonstriert und nicht die Grundrechte anderer Demonstranten oder unbeteiligter Personen verletzt werden, steht diese Freiheit grundsätzlich jedem zu. So steht es im Grundgesetz. Dass dabei wie auf der linksradikalen Revolutionären 1. Mai-Demonstration in Berlin gefordert wird, Kapitalismus und Demokratie abzuschaffen, mag man persönlich werten, wie man will. Aber auch diese Meinungsäußerungen sind durch das Grundgesetz abgedeckt. So erklärte es jüngst Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Kreuzberger Anwohnern, die ein Verbot von radikalen Aufzügen bei einer Podiumsdiskussion forderten.

Für Nikolaus Brauns, langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Innenpolitischen Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Ulla Jelpke, gelten die verbrieften Rechte nach Ansicht einiger Hauptstadt-Medien offenbar weniger: Brauns hatte nach Eigenangabe als »Privatperson« für ein Bündnis linker Organisationen die diesjährige Revolutionäre 1. Mai-Demonstration in Berlin angemeldet. Grund genug ihm vorzuwerfen, er habe eine »Krawall-Demo« (»Tagesspiegel«) oder eine »Randale-Demo« (»BZ«) angemeldet – und unisono die gesamte Linkspartei mit in Haftung zu nehmen.

Die CDU witterte in einer ersten Reaktion einen »Schulterschluss zwischen Linkspartei und Linksextremisten«. Der Grüne Innenpolitiker Benedikt Lux ließ sich im »Tagesspiegel« mit den Worten zitieren: Als Regierungspartei sei die Linkspartei für die Sicherheit der Polizisten verantwortlich, »auf der anderen Seite melden sie Demos an, von der mit hoher Wahrscheinlichkeit Gewalt ausgehen wird«. Man handele »doppelzüngig« und wolle offenbar den Autonomen gefallen, hieß es sogar aus den Reihen des eigenen Berliner SPD-Koalitionspartners.

Nach den scharfen öffentlichen Reaktionen und den Presseberichten zog Brauns gestern seine Anmeldung zurück. »Der politische Gegner und Teile der Presse haben in unzulässiger Weise versucht, Ulla Jelpke beziehungsweise die Partei DIE LINKE, der ich im übrigen nicht angehöre, in Sippenhaft für meine Demonstrationsanmeldung zu nehmen«, wehrte sich Brauns zwar noch gegen die seiner Meinung nach »Diffamierung« und »Kriminalisierung« eines legitimen Anliegens, für »ein besseres Leben, gegen Kapitalismus, Krieg und Unterdrückung auf die Straße« zu gehen. Um Schaden für die Linkspartei abzuwenden, trete er dennoch als Anmelder der Revolutionären 1. Mai-Demonstration zurück.

Für die Berliner Linkspartei kommt die Debatte über die Anmeldung indes zur Unzeit. Nicht nur, weil die Vorwürfe die Partei im laufenden Wahlkampf erwischen. Sondern auch, weil die neuerliche Diskussion die gerade erst abgeflaute Debatte zur linken Gewalt in der Hauptstadt wieder aufflammen lässt, in der sich die Linksfraktion seit 2009 öffentlich bemühte, sich von linksradikaler Gewalt zu distanzieren.

Außerdem hatten erst am vergangenen Montag Autonome eine Polizeiwache in der Wedekindstraße in Berlin-Friedrichshain mit Molotow-Cocktails attackiert. Nach Polizeiangaben verletzten die Stichflammen der Brandsätze dabei beinahe eine Reinigungskraft. Der Innenpolitische Sprecherin der Berliner LINKEN, Marion Seelig, verurteilte gestern im Abgeordnetenhaus den »feigen und brutalen« Anschlag. In den Medien wird dies sicher kaum eine Rolle spielen.

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