nd-aktuell.de / 18.04.2011 / Politik / Seite 8

Berlusconi sieht den »Umsturz« kommen

Italienischer Regierungschef mit neuen Ausfällen gegen Justiz und Lehrerschaft

Anna Maldini, Rom
Silvio Berlusconi spitzt den Konflikt zwischen den verschiedenen Institutionen des Staates immer mehr zu. Am Wochenende erklärte er erst, dass die Jugendlichen in den öffentlichen Schulen »indoktriniert« werden. Dem folgte die Behauptung, die Richter in Italien würden eine »kriminelle Vereinigung« darstellen. Beobachter sehen das bereits als Positionierung angesichts möglicher vorgezogener Neuwahlen.

Wer davon ausgeht, dass die öffentliche Schulbildung eine der wichtigsten Errungenschaften demokratischer Staaten ist, hat seine Rechnung ohne den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gemacht. Auf einer von seiner Partei organisierten »Konferenz der Mütter« erklärte er, dass in den italienischen Schulen die Kinder »indoktriniert« würden. »Glücklicherweise«, so der Politiker, der ja eigentlich die staatlichen Schulen unterstützen sollte, »kann man ja heute frei entscheiden, welche Erziehung man für seine Kinder will. Und man könne sie dem Einfluss der »linken Lehrer« entziehen, die ihnen in den öffentlichen Schulen Ideologien und Werte einhämmern, die mit denen der Familien nichts zu tun haben.« Was nichts anderes als eine Aufforderung an die Eltern bedeutet, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Schließlich würden in den staatlichen Schulen ja ganz offensichtlich die »Kommunisten« herrschen.

Aber mehr noch als das Schulsystem liegt dem derzeit von vielen Gerichtsprozessen – von Steuervergehen bis zur Prostitution Minderjähriger – gebeuteltem Ministerpräsidenten eine andere staatliche Institution am Herzen. Ebenfalls am vergangenen Wochenende nahm er abermals die »politisierten Richter« ins Visier, die angetreten seien, um den Willen des italienischen Volkes zu beugen. »Und in klaren Worten nennt man das Umsturz«, polterte Berlusconi.

Der Staatsmann ging aber noch weiter. Er forderte einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der feststellen soll, ob es »innerhalb der Justiz eine kriminelle Vereinigung mit umstürzlerischen Zielen gibt«. Er selbst werde ja von Staatsanwälten und Richtern verfolgt, weil er nichts weiter im Sinn habe, als »die Freiheit der Italiener zu verteidigen«. Diese Freiheit werde übrigens auch von der Opposition bedroht, die solchen »blutrünstigen Ideologien wie dem Kommunismus« anhängen würde.

Einzeln und für sich genommen sind solche Angriffe nichts Neues. Verwunderlich hingegen ist die Häufung dieser Angriffe auf angebliche Staatsfeinde. In Italien sind einige Beobachter davon überzeugt, dass dies faktisch der Auftakt einer Wahlkampagne sein könnte. Denn mehr noch als die Prozesse fürchtet Silvio Berlusconi möglicherweise Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, der in einer Situation, in der die politischen und sozialen Spannungen immer größer werden, beschließen könnte, die Parlamentskammern aufzulösen und Neuwahlen einzuberufen. Und die könnte Berlusconi nur gewinnen, wenn er auf eine »Radikalisierung« setzt.