nd-aktuell.de / 14.05.2011 / Kultur / Seite 2

Braune Bürger in der Oper

Ausstellung beleuchtet »Säuberung« der Dresdner Theater ab 1933

Hendrik Lasch, Dresden
Die Nazis waren 1933 kaum an der Macht, da wurden Dresdens Theater von Juden und politisch Missliebigen »gesäubert«. Organisiert wurde der Rauswurf durch Teile des Ensembles, wie eine Ausstellung in Semperoper und Staatsschauspiel ab morgen zeigt.

Der Putsch erfolgte aus dem Theater heraus. Am 7. März 1933, kurz nach dem Machtantritt der Nazis in Deutschland, wurde Fritz Busch, der Generalmusikdirektor der Dresdner Semperoper, aus einer Probe und vor eine Versammlung der »Theaterfachgruppe der NSDAP« geholt. Diese Naziformation, die der Historiker Hannes Heer als einzigartig im Reich bezeichnet, zählte 150 Mitglieder, hatte Kulturabende mit »Parteigenossen« organisiert – und die Ablösung von Busch vorbereitet, dem vorgeworfen wurde, zu viele jüdische und ausländische Sänger an dem Dresdner Opernhaus einzusetzen. Nach der Ablösung wollte Busch, der eigentlich als »deutscher« Dirigent galt und Jahre zuvor berufen worden war, um die Amtsübernahme durch einen jüdischen Kandidaten zu verhindern, »Rigoletto« dirigieren. Doch Nazis im Publikum verhinderten das.

Der 7. März war der Auftakt für die »Säuberung« der Theater in Dresden durch die Nationalsozialisten – ein Vorgang, der besonders widerlich war, weil er »aus dem Theater selbst« kam, wie Ulrike Hessler, Intendantin der Semperoper, bei der Vorstellung einer ab morgen zu besichtigenden Ausstellung sagte. Die Exposition mit dem Titel »Verstummte Stimmen« entstand nach Recherchen unter Leitung von Hannes Heer und wird in den Foyers von Semperoper und Schauspielhaus gezeigt. Sie beleuchtet ein Kapitel, das nach den Worten Heers bisher in Dresden von besonders vielen Legenden umwoben ist: der Anteil von Bildungsbürgertum, kulturellen Institutionen und Künstlerschaft bei der Machtübernahme der Nazis. Gerade über die Kunst hätten sie in Dresden »früh den Weg bis in das Großbürgertum gefunden«, so Hessler. Allerdings wurde später darüber nicht mehr geredet. Die erste Würdigung von 400 Jahren Musikkultur in Dresden nach 1945 schrieb ein zuvor glühender Nazi, sagt Heer; für 1933 merkt dieser nur die Wagner-Ehrungen an, nicht die Entmachtung von Busch.

Die war nur ein Anfang. Insgesamt 43 Ensemblemitglieder wurden in den beiden Staatstheatern in Dresden verjagt. Davon waren 16 Juden, drei mit jüdischen Frauen verheiratet, 24 gehörten Gewerkschaft, Betriebsrat, der SPD oder in einem Fall der KPD an. Unter den Vertriebenen waren Vorstandsmitglieder, Bühnenarbeiter, Orchestermusiker und gefeierte Solistinnen wie die in Ungarn geborene Margit Bokor, die gefeiert wurde für das »sinnliche Timbre« ihrer Stimme, aber als Jüdin nicht tragbar erschien – obwohl sie eine Resolution gegen Fritz Busch noch unterschrieben hatte. Einige Plätze füllten Fremdarbeiter: Im technischen Bereich arbeiteten Holländer, Tschechen und Ukrainer, fanden die Rechercheure heraus.

Unter denen, die blieben, waren die Mitglieder der NSDAP-Fachgruppe, aber auch viele, die sich anpassten und später in die Partei eintraten. Zuletzt sei das rund 750 Mitglieder zählende Ensemble »zu zwei Dritteln nazifiziert« gewesen, sagt Heer. Nach Kriegsende wurden die Parteigenossen zunächst entlassen, aber aus Mangel an Alternativen umgehend wieder eingestellt – was nicht zu einer kritischen Reflexion der Vergangenheit an den Theatern beitrug.

Jetzt, sagt Heer, lägen ausreichend Fakten vor, um »Schluss zu machen mit dem Drumherumreden«. Weil in Dresden die Sicht auf die Vergangenheit aber immer etwas schwieriger ist als anderswo, hat Heer alle Quellen im Katalog zur Ausstellung penibel dokumentiert – anders als in Hamburg oder Stuttgart, wo es ähnliche Expositionen schon gab. Demnächst betritt Heer freilich Terrain, das vielleicht noch schwieriger als das Dresdner ist: Es geht um die Nazifizierung des Theaters Bayreuth.