nd-aktuell.de / 27.05.2011 / Politik / Seite 7

Schüsse auf Demonstranten

Georgische Polizei rückte gegen Regierungsgegner vor

Blutiger Feiertag in Tbilissi: In der Nacht zum georgischen Tag der Unabhängigkeit kam es bei Protesten gegen Präsident Saakaschwili zu Toten und Verletzten. Beide Lager geben sich gegenseitig die Schuld.

Tbilissi (AFP/ND). Einen Tag vor den Feierlichkeiten zum georgischen Unabhängigkeitstag haben sich Demonstranten und Polizei in der Hauptstadt Tbilissi heftige Auseinandersetzungen geliefert. Antiaufruhreinheiten gingen am Mittwochabend gegen eine Kundgebung von Tausenden Gegnern von Präsident Michail Saakaschwili vor und lösten sie gewaltsam auf.

Nach Angaben eines AFP-Korrespondenten rückten die Sicherheitskräfte mit gepanzerten Fahrzeugen und Wasserwerfern gegen die maskierten und mit Knüppeln bewaffneten Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in Tbilissi vor. Die Polizei feuerte Gummigeschosse und Tränengas auf die Demonstranten. Laut Innenministerium wurde ein Polizist getötet, als er vom Auto eines mutmaßlichen Protestteilnehmers erfasst wurde.

Die Kundgebungen dauern seit Samstag an. Mehrere tausend Menschen zogen am Mittwoch zum Parlament. In der Nacht zum Donnerstag harrten dort trotz starken Regens rund 300 Menschen aus. Saakaschwilis Gegner fordern den Rücktritt des Präsidenten, dem sie einen diktatorischen Führungsstil vorwerfen. Sie kündigten an, eine für Donnerstagabend geplante Militärparade zum Unabhängigkeitstag zu stören. Die Behörden verboten ab Mitternacht alle Kundgebungen.

Oppositionsführerin Nino Burdshanadse rief zur Fortsetzung der Proteste auf. »Die Demokratie wird in Georgien siegen.« Burdshanadse warf den Behörden vor, auf brutale Gewalt zu setzen. Die Polizei habe auf Demonstranten eingeschlagen, obwohl diese keinen Widerstand geleistet hätten, teilte die Organisation Transparency International Georgia mit.

Die Regierung erklärte, die Demonstranten seien »sehr aggressiv«. Saakaschwili warf der Opposition eine »Maskerade« vor, dahinter verberge sich der Erzfeind Moskau. »Es geht ihnen nicht um Redefreiheit«, sagte der seit 2004 amtierende Staatschef. Die Opposition trat nicht geschlossen auf, Anhänger mehrerer Parteien blieben den Kundgebungen fern.

Saakaschwili war 2004 im Zuge der sogenannten Rosenrevolution unter dem Banner der Demokratisierung in der ehemaligen Sowjetrepublik an die Macht gekommen. Der prowestliche Präsident wird allerdings seit einigen Jahren als autoritär kritisiert. Im Jahr 2008 führte sein Versuch, die abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien wieder in den Kaukasusstaat einzugliedern, zu einer schweren militärischen Niederlage gegen die Truppen Russlands.