Sesam öffnet sich nicht

Banken kümmern sich noch zu wenig um seniorenfreundliche Technik

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Barrierefreier Zugang zu Bankdienstleistungen sucht man in Deutschland bislang nahezu vergebens.

Für viele Menschen gehört der persönliche Kontakt mit der Bank, die das Girokonto führt, schon zur Vergangenheit. Weniger Personal, diverse Automaten zum Geldabheben, zum Druck von Kontoauszügen oder zur Geldüberweisung, außerdem das Online-Banking – in einem schleichenden Prozess haben die Geldinstitute Teile ihrer Dienstleistung den Kunden übergeholfen. Und die Zahl der Zweigstellen ist in der Bundesrepublik von 1995 bis 2009 von knapp 72 000 auf 40 000 gesunken.

Aber nicht alle Kontoinhaber können mit den neuen technischen Anforderungen mithalten. Fast schon abgehängt ist, wer über keinen Internet-Anschluss verfügt, darunter viele Ältere. Gerade diesen Kunden sollten die Banken entgegenkommen, etwa mit einem Service, der auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Noch ist das aber nicht der Fall, wie eine Untersuchung von Wissenschaftlern der Westsächsischen Hochschule Zwickau ergab, die im Online-Journal »HeilberufeScience« veröffentlicht wurde. Nicole Drescher und Jörg Klewer analysierten in der Modellregion Stollberg-Chemnitz-Zwickau, ob Eingabemasken der Geldautomaten und im Online-Banking seniorengerecht gestaltet sind. Dazu zogen sie sogenannte Demo-Konten von 44 Geldinstituten heran, mit deren Hilfe man die Verwaltung eines Bankkontos im Internet lernen kann. Außerdem forderten sie 27 Banken auf, ihre Standards bei der Gestaltung dieser Technik im Hinblick auf die älteren Kunden zu beschreiben.

Barrierefreier Zugang zu den Automaten ist dabei nur ein Aspekt, denkbar ist auch die barrierefreie Gestaltung der Webseiten wie der Eingabefelder an den Service-Automaten. Dazu wurden in der Studie die Schriftgröße gezählt, die Verwendung einer einfachen Sprache oder die Möglichkeit, die Informationen abzuhören. Die Nutzung kann auch über eine ausreichende Kontrastierung zwischen Schrift- und Hintergrundfarbe erleichtert werden. Bevor sich die Webseite oder der Geldautomat nach einer bestimmten Frist ohne Aktivität abmeldet, könnte auch die Frage gestellt werden, ob noch Zeit benötigt wird. Das geschieht in keinem der untersuchten Fälle – und wäre für alle Nutzer sinnvoll. Insgesamt zogen die Forscher das Fazit, dass sich die Banken bisher nur ansatzweise mit der Problematik beschäftigt haben und dass der Verbesserungsbedarf hoch sei. So wies kein Demokonto ein ausreichendes Farbkontrastverhältnis von Vorder- und Hintergrund auf. Wer eine Rot-Grün-Blindheit hat, kann auf keinem der untersuchten Demo-Konten Farbkontraste wahrnehmen.

Auf die Nachfrage nach Konzepten für eine seniorenfreundliche Gestaltung ihrer Webseiten verwies keines der befragten Geldinstitute auf die nationalen und internationalen Empfehlungen, die zum Beispiel in den USA und Australien existieren. Eine einzige Bank setzte ältere Menschen als Tester ihrer Bildschirmeingabemasken ein. Offenbar können sich die Banken die Vernachlässigung eines wachsenden Teils ihrer Kunden leisten. Vermutlich sind die Wechsel-Hürden für ältere Menschen höher als für jüngere. Gesetzliche Regelungen zur Barrierefreiheit in der Informationstechnik existieren in Deutschland nur für öffentliche Verwaltungen und Körperschaften öffentlichen Rechts.

Lexikon

Unter Electronic Banking versteht man das Abwickeln von Bankgeschäften mit Hilfe von elektronischen Geräten. Dazu zählen EC-, Kredit- oder Geldkarten, Telefon und Telefax, Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker sowie Computer mit Internetanschluss. Beim Online Banking erhält der Kunde direkten Zugriff auf den Rechner der Bank. Aufgrund der Risiken im Netz versuchen die Banken, durch immer neue Formen von elektronischen Schlüsseln die Sicherheit zu verbessern. ND

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal