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»Zur vollsten Zufriedenheit«

Was der Beurteilte über das Arbeitszeugnis wissen sollte

  • Lesedauer: 4 Min.
Vor einer Woche haben wir im ND-Ratgeber Tipps zur Bewerbung für einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz gegeben. Heute geht es um das Arbeitszeugnis. Worauf die Beurteilten unbedingt achten sollten, erläutert die D.A.S. Rechtsschutzversicherung.

Auf den ersten Blick positiv

»Sandra G. war immer mit Interesse bei der Sache.« Dieser Satz klingt auf den ersten Blick positiv – aber das stimmt nicht! Die Formulierung verrät jedem Personalchef, dass sich die Angestellte im Berufsalltag zwar bemühte, aber nicht mal über grundlegende Fachkenntnisse verfügt. Mit einer solchen Beurteilung sind Absagen programmiert. Deshalb ist es für jeden Arbeitnehmer wichtig, die Bedeutung der gängigen Formulierungen im Arbeitszeugnis zu kennen.

Ein Arbeitszeugnis dokumentiert den beruflichen Werdegang und die fachliche Entwicklung. Dabei kommt es vor allem auf die richtige Formulierung an. Sind womöglich gar unbewusst bestimmte Standardsätze, Adjektive oder Adverbien eingebaut, die jeder Personaler als negative Bewertung entschlüsselt? Viele Arbeitnehmer kennen die Bedeutung bestimmter Ausdrücke im Arbeitszeugnis nicht und wundern sich, dass ihre Bewerbung nicht gut ankommt.

Zu den Zeugnisarten

Nach § 109 Abs. 1 Gewerbeordnung gibt es ein sogenanntes einfaches und ein qualifiziertes Zeugnis. Ein einfaches Zeugnis bescheinigt nur die Dauer des Arbeitsverhältnisses und enthält eine kurze Tätigkeitsbeschreibung. Darüber hinaus beurteilt das qualifizierte Zeugnis auch die Leistung und Führung des Arbeitnehmers. Bei leitenden Angestellten oder Arbeitnehmern in gehobenen, verantwortungsvollen Positionen ist das qualifizierte Zeugnis normalerweise die Regel.

Bezüglich des Inhalts bietet die Rechtsprechung allgemeine Grundsätze, da in den Gesetzen und Tarifverträgen keine detaillierten Regelungen dazu existieren. Bei der Zeugniserteilung sind der Grundsatz der Wahrheit, des verständigen Wohlwollens, der Vollständigkeit und der individuellen Beurteilung einzuhalten. Das Zeugnis muss wahr sein und darf nur objektive Tatsachen enthalten – bloße Behauptungen, Annahmen oder Verdächtigungen sind tabu.

Zwischen den Zeilen lesen

Im Laufe der Zeit haben sich im Arbeitszeugnis eine Reihe von Standardformulierungen eingebürgert. Deren wahre Bedeutung steht oft zwischen den Zeilen. Der Bundesgerichtshof hat schon 1963 gefordert, dass das Zeugnis von »verständigem Wohlwollen« für den Arbeitnehmer getragen sein und ihm sein weiteres Fortkommen nicht erschweren soll (BGH-Urteil Az. VI ZR 221/62). Ein Zeugnis mit offener Kritik könnte hier eine hohe Hürde errichten. Außerdem vermeiden Arbeitgeber gern juristische Auseinandersetzungen, die bei nicht wohlwollenden Bewertungen häufiger die Folge wären.

Einerseits wird also Wahrheit, andererseits aber Wohlwollen gefordert – so kommt es zu Bewertungen, die eine andere Bedeutung haben, als dies aus dem Wortlaut hervorgeht. Dabei gibt es sowohl allgemein übliche Formulierungen, als auch versteckte Codes, die nach § 109 Abs. 2 GewO unzulässig sind. Umso wichtiger ist es für den Beurteilten, die wohlwollenden Formulierungen entschlüsseln zu können. Nicht immer bedeuten sie wirklich etwas Negatives. Es kommt immer auf den Zusammenhang an, in den sie gesetzt werden. So können aufwertende Adverbien (stets, sehr, in hohem Maße) und Adjektive (groß, hoch, äußerst) eine Bewertung verbessern: So macht das Wort »stets« deutlich, dass der Mitarbeiter konstant diese Leistung erbracht hat. Fehlt »stets«, bedeutet das eine Abwertung. Auch ein Weglassen berufstypischer Bewertungen kann eine Abwertung darstellen. So sollte bei einer Kassiererin die Ehrlichkeit unbedingt erwähnt werden.

Bewertung und Übersetzung

Wie zwei Bewertungen auf den ersten Blick positiv wirken, aber in der »Übersetzung« völlig verschiedene Beurteilungen bedeuten können, verdeutlichen folgende Beispiele: »Frau G. zeigte mitunter Fleiß und bemühte sich um Sorgfalt.« Das heißt, die Arbeitnehmerin erfüllte die mit dem Arbeitsplatz verbundenen Anforderungen nicht – sie war nur manchmal fleißig und arbeitete nicht sorgfältig.

Hätte die Mitarbeiterin die Erwartungen sehr gut erfüllt und den Anforderungen in besonderem Maße entsprochen, dann könnte zum Beispiel folgender Satz im Zeugnis stehen: »Anhaltenden Fleiß verband Frau G. mit unverkennbarer Freude an ihrer Tätigkeit. Sie arbeitete sehr genau, gründlich und äußerst gewissenhaft.«

Wird lobend auf ein besonderes »Engagement für die Interessen der Mitarbeiter« hingewiesen, stellt dies einen verschlüsselten und unzulässigen Hinweis auf eine Betriebsratstätigkeit dar.

Das Beste zum Schluss

Der Schlussnote schenken Personalchefs besondere Beachtung, da diese eine Gesamtbewertung darstellt. Hier haben sich ebenfalls einige Standardformulierungen herausgebildet, die in Noten übersetzt werden können. Zur Zufriedenheit bedeutet eine Vier, zur vollen Zufriedenheit eine Drei, stets zur vollen Zufriedenheit eine Zwei und stets zur vollsten Zufriedenheit eine Eins.

Wirklich gute Zeugnisse enthalten eine sogenannte Schlussformel, wie zum Beispiel: »Wir bedauern das Ausscheiden unseres Mitarbeiters, bedanken uns bei ihm für seine stets wertvolle Arbeit und wünschen ihm für die Zukunft viel Erfolg.« Aber auch hier sind Negativhinweise möglich: Wird dem Mitarbeiter zum Beispiel in der Schlussformel für seine Zukunft insbesondere Gesundheit gewünscht, weist dies unzulässiger Weise auf erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten hin.

Weitere Hinweise zu Inhalt und Form des Zeugnisses unter www.das-rechtsportal.de/recht/arbeit-recht/arbeitszeugnis/default.htm

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