Alle fahren wie sie wollen

Auslandsverbindungen der Bahnen in Europa sind ein Suchspiel

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Deutsche Bahn lobt sich, ihr Angebot im Personenfernverkehr werde immer internationaler – rund 80 europäische Städte seien direkt von Deutschland aus erreichbar. Täglich benutzen mehr als 40 000 Fahrgäste die über 250 Verbindungen. Aber könnten es nicht mehr sein?

Für viele Menschen scheint die Eisenbahnreise zu fernen Zielen kein Thema nicht mehr zu sein. Sie bevorzugen das Flugzeug, den Pkw oder den Bus. Dabei sind die Auslandsverbindungen etwa nach Dänemark, Österreich oder in die Schweiz bequem und vergleichsweise schnell. Die Deutsche Bahn (DB) hat selbst dazu beigetragen, dass ihr viele Wohlgesonnene davonliefen. Da sich das Unternehmen bei öffentlichen Fahrplänen zu Auslandsverbindungen zurückhält, erfährt der Reisende bestenfalls zufällig, dass es beispielsweise neben Verbindungen nach Paris und Amsterdam auch eine Tagesverbindung von Berlin über Wien nach Villach gibt. Welchen Weg der Eurocity nimmt, bleibt der Kundenrecherche überlassen.

Im Auslandsverkehr gibt es zwar Licht, aber noch mehr Schatten. Während der Eurocity Hamburg- Krakow mit vier Wagen, ohne Speisewagen und bei langer Reisezeit auf der Abschussliste steht, konzentriert sich die DB auf künftige Verbindungen etwa von Frankfurt am Main nach London bzw. nach Marseille.

Mit der Schweiz ist Deutschland auf dem Schienenweg mit 35 Direktverbindungen gut vernetzt, auch Berlin ist mit dem ICE nach Interlaken dabei. Wer aber mit den Hochgeschwindigkeitszügen verschiedener Bahnen quer durch Europa fahren möchte, stößt nicht nur beim Fahrplanstudium an seine Grenzen, er muss auch die verschiedenen Zugbezeichnungen von AVE (Spanien) bis Thalys (Frankreich) entschlüsseln. Der Kauf durchgehender Fahrausweise, etwa von Stockholm nach Palermo, wurde inzwischen durch Punkt-zu-Punkt-Tarife unmöglich.

Abschreckend sind auch die unterschiedlichen Vorgaben wie dreiklassige Züge, feste Buchung mit Bindung an Reisetag und Zug wie beim angepriesenen »Europa-Spezial« und Fahrplanauskünfte im Internet, die zu großen Umwegen raten oder eine bestimmte Verbindung gar nicht kennt.

Nach dem Vorbild der Luftfahrtgesellschaften haben europäische Bahne Allianzen gebildet, die aber das Papier nicht wert sind, auf denen sie verkündet wurden. So ist Railteam, wozu seit 2007 Bahnen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz gehören, eher ein Marketing-Instrument als Dienst für die Kunden. »Railteam knüpft durchgängige Reiseketten«, verkündet die Deutsche Bahn, um dies im nächsten Satz mit dem Wort »künftig« zu relativieren. Die einheitliche Internetplattform, mit der alle Hochgeschwindigkeitszüge online gebucht werden könnten, war und ist Railteam zu teuer und zu kompliziert.

Im internationalen Eisenbahn-Reiseverkehr gibt es noch keine Europäische Union – jede Bahn macht das, was sie für richtig hält. Edwin Dutler und Kaspar P. Woker von »Pro Bahn Schweiz« vertreten die Ansicht, dass es wegen fehlender Marktausrichtung, überhöhter finanzieller Forderungen an die »Partnerbahnen« und der Liberalisierung im Bahnbereich noch eine Weile dauern wird, bis der grenzüberschreitende Eisenbahnverkehr den Wünschen der Fahrgäste entspricht. Die Probleme sind den Verantwortlichen auch kaum bewusst, konstatieren Dutler und Woker: Mit Ausnahme der Schweizer Delegation kommen die Vertreter von Railteam regelmäßig mit dem Flugzeug zu den Sitzungen – trotz First-Class-Freifahrscheinen. Praxisferner geht es kaum.

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