Vom Nutzenwert der Monster

Kölner Experte erforscht Dämonisierungen

  • Benno Schwinghammer, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Experte für King Kong, Werwolf und Godzilla – das klingt wie eine Berufsbezeichnung aus »Harry Potter«. Aber Matthias Burchardt nennt sich wirklich Monsterologe – an der Uni Köln.

Köln. Auf den ersten Blick wirkt das Büro von Matthias Burchardt ganz normal. Ein Bücherregal an der Wand, am Fenster ein Computer, Papierstapel auf den Tischen. Schnell entdeckt der Besucher aber auch anderes: Arme von Schaufensterpuppen in der Ecke und an der Wand skurrile Fotos. Die Büroeinrichtung des Bildungsphilosophen ist exzentrisch – genauso wie sein bevorzugtes Forschungsfeld: Burchardt bezeichnet sich als Monsterologe.

Dabei geht es, wie er betont, nicht nur um Fabelwesen, Krümelmonster oder King Kong: »Das Monster ist ein Vergrößerungsglas auch für kulturelle Gemütslagen und Weltdeutungen.« Ein Monster kann alles Mögliche sein, nur nicht normal. Es ist vor allem deshalb Monster, weil es anders ist und von der Norm abweicht. »Jesus war in den Augen seiner Zeitgenossen ein Monster, weil er einer bestimmten alten Ordnung versucht hat, ein Ende zu bereiten. Er wurde dafür hingerichtet.«

Burchardt (44) ist Bildungsforscher am Pädagogischen Seminar der Uni Köln. Einen praktischen Nutzen für die angehenden Lehrer, die er ausbildet, sieht er durchaus: Sie müssten schließlich in besonderem Maße bereit sein, sich auch mit Schülern auseinanderzusetzen, die von der Norm abweichen. »Sie sollen sensibilisiert werden für Fragen der Toleranz.«

Eine Spielerei sei sein Thema nicht, vielmehr hochpolitisch. Das Monster werde schließlich immer wieder bemüht, um politische Meinungen und Handlungsweisen durchzusetzen. Zum Beispiel bei umstrittenen Herrschern wie Muammar al-Gaddafi: Lange Zeit sei der für den Westen »okay« gewesen, nun werde er zum Monster hochstilisiert: »Deshalb ist die Frage: Ist jemand an sich ein Monster oder wird er zum Monster gemacht durch Mediendiskurse oder politische Interessen?«

Wenn Burchardt erzählt, wirkt er keineswegs exzentrisch, eher wie ein typischer Pädagoge. Sehr strukturiert, um es mal so zu sagen. Aber zur Hochform läuft er auf, wenn es um die Deutung von klassischen Monstern geht. So wie bei Godzilla, einem japanischen Filmungeheuer aus den 50er Jahren: »Die Japaner verarbeiteten mit Godzilla die Lage eines verängstigten Landes, das von einer Übermacht, sprich Amerika, durch die Atombombe bedroht war.«

Heute wirkt Godzilla nur noch niedlich. Und auch das ist typisch für Monster: Mit der Zeit verlieren sie ihren Schrecken. Burchardt weiß noch, welche Angst er als Kind vor dem Krokodil im Kasperletheater hatte. Heute dagegen sind Kinder durch die Medien an ganz andere Sachen gewöhnt.

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