nd-aktuell.de / 01.06.2011 / Politik / Seite 5

Kein Ärztetreffen ohne Geldforderung

Parlament der Mediziner eröffnete Debatte um medizinische Leistungen und höheres Honorar

Dieter Hanisch, Kiel

Mit den traditionellen Reden von Bundesgesundheitsminister und Bundesärztekammerpräsident wurde gestern in Kiel der 114. Deutsche Ärztetag eröffnet. 250 Delegierte beschäftigen sich bis zum Freitag mit Themen wie Sterbehilfe oder Präimplantationsdiagnostik und wählen einen neuen Präsidenten.

Die Verteilung der Mediziner ist ein zentrales Thema des diesjährigen Ärzteparlamentes im Kieler Schloss. Während der Verband der Ersatzkassen von einer Überzahl an Ärzten spricht, befürchten Ärzteorganisationen und Politik eine Unterversorgung, vor allem im ländlichen Raum, die sich in den nächsten Jahren noch zuzuspitzen droht. In Mecklenburg Vorpommern stehen 160 Arztpraxen leer, in Niedersachsen fehlen im ländlichen Raum 500 Hausärzte. Auch in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen oder in Schleswig-Holstein werden die Wege für Patienten immer weiter.

Das kurz vor der Verabschiedung stehenden Versorgungsgesetz sieht größere Anreize für Landärzte und eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen vor – etwa durch weniger bürokratische Dokumentationspflichten. Das erklärte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in Kiel bei seinem ersten großen Auftritt vor den Ärzten nach Amtsübernahme. Es gebe genügend Medizinstudenten, sagte er. Diese müsse man nur für den Arztberuf begeistern. Entsprechende politische Instrumente seien eingeleitet. Und es fehle auch nicht am Geld, fügte Bahr hinzu. Demzufolge soll die Vergütungsobergrenze für Landärzte künftig aufgehoben werden. In jüngster Zeit haben immer mehr jüngere Ärzte einer Honorarstelle den Vorzug gegenüber einer festen Niederlassung gegeben oder sind ins europäische Ausland abgewandert. Neben der monetären Seite müsse es auch um ein besseres Lebensumfeld mit Kinderbetreuung, guter Infrastruktur und einem Arbeitsplatz für den Ehepartner gehen, forderte der Ärztekammerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Crusius.

Daniel Bahr wandte sich gestern im Kieler Schloss aber auch gegen die Debatte über Rationierung und Prioritätensetzung in der Medizin. Die Versorgung solle so verbessert werden, dass diese Debatte unnötig werde, sagte Bahr am Dienstag auf dem Ärztetag in Kiel. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe fordert seit langem, die Politik müsse festlegen, welche Behandlungen zuerst gemacht werden, weil nicht mehr alle Therapien durchgeführt werden könnten.

Weitere Themen für die 250 Delegierten sind die ärztliche Begleitung Schwerstkranker und Sterbender, die Neufassung der Gebührenordnung für privatärztliche Leistungen sowie eine Neubewertung der Präimplantationsdiagnostik, bei der es um die Zulassung von genetischen Tests nach künstlichen Befruchtungen geht. Natürlich gibt es kein Ärztetreffen ohne die Forderung nach einer Aufstockung von Honoraren. Der Marburger Bund will vornehmlich Ärzte an Universitäten und in Gesundheitsämtern besser vergüten.

Unmittelbar vor Beginn des Ärztetages, der nach Angaben der Veranstalter eine halbe Million Euro kostet, forderten Vertreter der Freien Ärzteschaft die Ärzteschaft zur Abkehr von der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte auf. Computerfachleute hatten vor kurzem eine Sicherheitslücke in der Software der Kartenlesegeräte entdeckt. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung steht in jeder zehnten Arztpraxis ein Kartenterminal.

Von großem Interesse sind auch die Wahlen. Nach zwölf Amtsjahren gibt der bisherige Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe seinen Posten auf. Fünf Bewerber stehen bereit. Beobachter erwarten einen Zweikampf zwischen dem Kammervizepräsidenten Frank Ulrich Montgomery und dem Berliner Ärztekammerchef Günther Jonitz. Seit 1950 fiel die Wahl des neuen Präsidenten stets auf den bisherigen Stellvertreter.

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