Abenteuer Städtepartnerschaft

Vor 25 Jahren begann ein neues Kapitel im Verhältnis DDR – BRD

  • Jörg Fischer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft wird 25 Jahre alt. Mit der Vereinbarung betraten Saarlouis im Westen und Eisenhüttenstadt im Osten 1986 Neuland. In der Saar-Kommune wird das Jubiläum dieser Tage bei einem Stadtfest gefeiert.

Saarlouis. »Neun Männer in zwei Autos gen Osten. Es war ein Abenteuer«, erinnert sich Erich Pohl aus Saarlouis an die Fahrt hinter den Eisernen Vorhang. In Eisenhüttenstadt wurden im Januar 1986 die Vertragsverhandlungen zur ersten deutsch-deutschen Städtepartnerschaft aufgenommen, mehr als acht Monate später wurde die Vereinbarung unterzeichnet. Aber bereits zum Stadtfest »Emmes« im Sommer 1986 durften die ersten 52 Eisenhüttenstädter nach Saarlouis fahren.

Auch zur »Emmes 2011« an diesem Wochenende will wieder eine Abordnung den 25. Geburtstag der Partnerschaft mitfeiern. Was heute selbstverständlich ist, glich zu Zeiten des Kalten Krieges in der DDR einer politischen Sensation. Jahrelang hatten sich mehrere westdeutsche Kommunen um einen »Bürgeraustausch« bemüht. Erst im November 1985 gab der im Saarland geborene DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker grünes Licht für den ersten Städtepakt – nachdem ihn der Saar-Ministerpräsident Oskar Lafontaine von der Idee überzeugt hatte.

»Das Problem waren die Politiker. Dabei war alles so harmlos. Über Politik wurde selten geredet, dafür umso mehr über Fußball«, erinnert sich Pohl. Als Beigeordneter für Kultur betreute der heute 82-Jährige zahlreiche Delegationen aus Eisenhüttenstadt und fuhr selbst immer wieder dorthin. Die DDR-Oberen fürchteten Unterwanderung. Aber auch von den Konservativen von CDU/CSU in Bonn gab es Schelte, die DDR wolle die neue Städtepartnerschaft nur für Propagandazwecke missbrauchen.

Pohl indes ist davon überzeugt, dass die meisten der mehr als 400 DDR-Besucher, die zwischen 1986 und 1989 nach Saarlouis kamen, »einfach Bürger« waren. Und die DDR-Führung hielt sich zurück – selbst als sich 1987 ein DDR-Trommler aus der Delegation in der Saar-Kommune absetzte. Bis zur Wende wurden fast 60 deutsch-deutsche Städtepartnerschaften angebahnt.

Dass die Mauer schon 1989 fallen würde, hätte sich Pohl damals nicht träumen lassen. Werner Viertel, der für die DDR die ersten Vertragsverhandlungen leitete, hatte dagegen schon bei den Gesprächen im Januar im West-Fernsehen die Vision geäußert, »dass die Bürger unserer Stadt die Möglichkeit haben, ohne Schwierigkeiten und Komplikationen Saarlouis zu besuchen«. Bei der Vertragsunterzeichnung durfte er nicht mehr dabei sein.

Nach der Wende stieg die Zahl der Städtepartnerschaften auf knapp 600 an. Vor allem die Kommunen im Osten suchten Rat bei der komplizierten Wiedervereinigung. Dann wurden die Bande zwischen den Städten in Ost und West zunehmend lockerer. »Die Leute fahren heute lieber ans Meer als an die polnische Grenze«, beschreibt Pohl die Vorlieben seiner Mitbürger mit Blick auf die Städtepartnerschaft zu Saint-Nazaire an der französischen Atlantikküste.

Die Verantwortlichen suchen nun nach Wegen, die Freundschaft neu zu beleben. Eine Achse Eisenhüttenstadt-Saarlouis-Saint-Nazaire besteht bereits. Und die Stadtoberen wollen die Austauschprogramme vor allem für junge Menschen intensivieren. Für Pohl besteht rückblickend kein Zweifel, dass sich die Anstrengungen so oder so gelohnt haben: »Wir haben neue Freunde gefunden. Jede Begegnung war ein Mosaikstein. Das Ende war die Wende. Dann war das Mosaik fertig.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal