nd-aktuell.de / 09.06.2011 / Kultur / Seite 10

Der 24. Juli 2010

»Life in a Day – Ein Tag auf unserer Erde«, kompiliert von Kevin Macdonald

Caroline M. Buck

Dass Filme im Internet zu finden sind, ist nichts Neues. Dass ein Film komplett via Internet entsteht, schon eher. »Life in a Day – Ein Tag auf unserer Erde« beruht auf einer Zusammenarbeit zwischen der Firma Ridley Scotts und der Internet-Plattform YouTube. Deren Besucher waren aufgefordert, kurze Videos aus ihrem Leben zu drehen, alle am selben Tag, dem 24. Juli 2010. Die vorgeschlagenen Themen lauteten: wovor fürchten Sie sich, was ist Ihnen lieb, oder auch ganz einfach: was haben Sie gerade in der Tasche?

Zehntausende von Beiträgen aus 192 Ländern der Erde gingen ein. Unter der Regie von Kevin Macdonald wurden sie zu einem Kompilationsfilm verdichtet, der mal die Protagonisten mit eigener Stimme (und Untertiteln) über sich, ihren Alltag und ihre Umgebung sprechen lässt, mal aus diversen Einzelbeiträgen einen neuen Tag zusammenschneidet – ein vielteiliges Puzzle unterschiedlichster Lebenssituationen, Vorlieben und Kümmernisse, kleiner persönlicher Momente und größerer thematischer Zusammenhänge.

Von der Nacht bis zum Sonnenaufgang über die Abenddämmerung bis in die nächste Nacht reicht der Film, von der ersten Rasur eines milchbärtigen Jungen im englischsprachigen Teil der Welt bis zur Fahrrad-Kamera eines koreanischen Weltumrunders, der in einem Jahrzehnt so viele Länder durchfahren hat, wie an diesem Filmprojekt teilnahmen. Sechs Mal wurde er dabei angefahren, schimpft folgerichtig über die mangelnde Rücksichtnahme der Autofahrer – selbst aber sieht er seelenruhig einer Fliege dabei zu, wie sie in seinem nepalesischen Kaffee ertrinkt. (Tierfreunde seien gewarnt: Dies wird nicht das letzte Tier bleiben, das vor laufender Kamera sein Leben lässt; von Gürteltierfallen und Oktopusjagd über den Verzehr eines nicht geschlüpften Küken samt Schale bis zur Rinderschlachtung, hier bleibt einem wenig erspart.)

Immer wieder überlagert Musik die natürlichen Geräusche vom Ort der Aufnahme (der selten ausdrücklich genannt wird), und nicht in jedem Winkel der Erde ist gleichzeitig Aufstehen und Zähneputzen angesagt, auch wenn es hier so aussehen könnte, als sei die ganze Welt zugleich mit der Morgenhygiene beschäftigt. Manche Aufnahmen stammen offenkundig von Hobby-Filmern, manche sind beinahe zu gut, um zufällig zu sein. Und beim Filmstück über die Love Parade in Duisburg an ebendiesem Tag, wird wohl die Regie nachgeholfen haben, zu perfekt ist da der Bogen von fröhlicher Ankunft über die beginnende Massenpanik bis zum Abtransport der Toten mit eingespielter Nachrichtenmeldung.