Kein Hitzefrei und keine Heizkosten mehr

Eine Schule wird zum Passivhaus

  • Birgit Sander, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Kühl im Sommer und warm im Winter: Eine Schule in Mecklenburg hat sich zur Passivhaus-Schule gewandelt. Schüler und Lehrer müssen sich umgewöhnen.

Lübtheen. Auf Hitzefrei können die Schüler in der westmecklenburgischen Kleinstadt Lübtheen kaum noch hoffen. Ihre frisch sanierte Schule hat zwar keine Klimaanlage, ist aber im Sommer angenehm kühl. Heizkörper fehlen ebenfalls, trotzdem wird es im Winter warm sein, verspricht Architekt Andreas Rossmann. Er hat aus einem gängigen DDR-Schultyp von 1980 eine Passivhaus-Schule gemacht, die ganz ohne Heizkosten auskommt. Plattenbau-Schulen wie in Lübtheen stünden noch massenhaft zwischen Rügen und Thüringen, sagt er. Am Freitag soll diese erste heizkostenfreie Schule Mecklenburg-Vorpommerns offiziell als »Lindenschule« eröffnet werden.

Schüler und Lehrer haben jedoch schon ein paar Tage Erfahrungen mit dem neuen Gebäude gesammelt. »Das ist ein ganz anderes – besseres – Arbeiten hier«, sagt der stellvertretende Schulleiter Torsten Booß.

Von außen ist der Schule die »Platte« nicht mehr anzusehen: Die in Orange- und Rottönen gehaltene Fassade wird von Jalousien in Gelb, Grau und Blau belebt. Die Fenster wurden verändert – aus einem großen entstanden zwei unterschiedliche kleinere. Eine dritte Etage wurde aufgesetzt, auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage installiert. Vor und hinter dem Gebäude stehen vier Säulenpaare: »Das sind Lüftungstürme«, erläutert Architekt Rossmann. »Der eine saugt die Luft an, der andere gibt sie ab.« Das Lüftungssystem in den Schulräumen funktioniert, ohne dass die Fenster geöffnet werden.

Daran müssten sich Schüler und Lehrer erst gewöhnen, wie Booß zugibt. Gerade nach dem Sport, wenn die Schüler erhitzt seien, würden normalerweise erstmal die Fenster aufgerissen. »Jetzt zwingen wir uns abzuwarten, bis die Lüftung anspringt.« Am Ende der Stunde sei die Luft im Klassenraum immer noch gut. Rossmann ergänzt: »Es gibt nicht mehr diese CO2-Anreicherung, die Schüler so müde macht.«

Im Winter ist der Heizeffekt durch die 160 Mädchen und Jungen gerade gewünscht. Dem Haus, das wie eine Thermoskanne funktioniert, soll keine zugeführte Wärme entweichen, wie Rossmann erklärt. Die Lüftungsanlage entzieht der verbrauchten Luft, die von den Schülern mit ihrer Körpertemperatur zusätzlich aufgeheizt wurde, die Wärme.

Die Grundwärme für die Schule aber kommt aus der Erde. Wärmepumpen holen aus 16 bis zu 150 Meter tiefen Bohrungen Erdwärme. Die Wärmepumpen brauchen zwar Strom, aber die nötige Menge produziert die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die Wärme wird über Deckenheizungen in die Schulräume abgestrahlt, es entsteht ein »Sonnenscheineffekt«, wie der Architekt sagt. Deckenheizungen würden am schnellsten auf Temperaturveränderungen reagieren. Das neue Atrium, für das der einstige kleine Innenhof überdacht wurde, hat eine Fußbodenheizung.

Die Sanierung zum Passivhaus ist Rossmann zufolge etwa 25 Prozent teurer als eine Standard-Sanierung. 4,7 Millionen Euro seien mit allen Nebenkosten, Innenausstattung und Außenanlagen, verbaut worden. Lübtheens Bauamtsleiter Frank Wein glaubt nicht, dass ein Abriss und Neubau billiger gekommen wäre. Zumindest wäre er nicht nachhaltiger gewesen, was die Stadtvertreter aber wollten, wie Bürgermeisterin Ute Lindenau (SPD) sagt. Die Stadt steuerte zu dem Projekt rund eine Million Euro bei, das Land 3,7 Millionen.

Die Alternative wäre die denkmalgerechte Sanierung einer Schule von 1896 gewesen. Die Wahl sei auf die Plattenbauschule gefallen, weil sich Lübtheen so mit der benachbarten Grundschule, Hort und Turnhalle ein Schulzentrum schaffen konnte, das hoffentlich viele Eltern überzeugt, so Lindenau.

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