Westerwelle kauft sich in Libyen ein

Außenminister zu Blitzbesuch bei Rebellen in Bengasi – in Tripolis spielte Gaddafi Schach

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) war am Montag überraschend in der ostlibyschen Metropole Bengasi gelandet. Hier ist die Zentrale der Anti-Gaddafi-Rebellen. Hier hat der sogenannte Übergangsrat seinen Sitz, den man in westlichen Staaten bereits als Kern einer künftigen libyschen Regierung betrachtet.

Nur wenige EU-Spitzenpolitiker waren bislang in Bengasi, darunter die Außenminister Großbritanniens, Italiens und der Türkei sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Westerwelles Besuch ist ein erstes deutsches Vortasten.

Die Bundesregierung, die sich nicht direkt an den Militäraktionen gegen Machthaber Gaddafi beteiligt und daher von den USA und anderen NATO-Staaten heftig kritisiert wird, versucht mit diesem dreistündigen Blitzbesuch ihr Image vor Ort aufzupolieren. Mitglieder des Übergangsrates, den Westerwelle gestern als »legitime Vertretung des libyschen Volkes« bezeihnete, ließen in den vergangenen Wochen bereits durchblicken, dass es deutsche Firmen nach einem Ende des Gaddafi-Regimes schwer haben könnten, an der Ausbeutung der libyschen Ölreserven sowie an Projekten zum Wiederaufbau beteiligt zu sein. Einen leichteren Stand haben französische Konkurrenten. Frankreichs Präsident Sarkozy, der zu den treibenden Kräften des NATO-Krieges gehört, hat seinen Bengasi-Besuch noch für diese Woche angekündigt.

Westerwelle hatte an Bord seiner Transall-Bundeswehrmaschine nicht nur den deutschen Entwicklungshilfeminister, Parteifreund Dirk Niebel, sondern auch Paletten mit Hilfsgütern. Bislang hat Deutschland 7,5 Millionen Euro an humanitärer Soforthilfe für Libyen geleistet. Die Minister versprachen, nun die Hilfe auf mehr als 15 Millionen Euro zu verdoppeln. Das ist ein schwacher Trost für den Ausfall der beschlagnahmten Gaddafi-Milliarden-Guthaben im Ausland, die die EU zwar versprochen hatte, jedoch aus juristischen Gründen nicht weiterreichen kann.

Ein Erkundungsteam der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit ist dabei zu klären, welche Unterstützung im Hinblick auf die Flüchtlingssituation erforderlich und gewünscht ist. Zum deutschen Angebot gehören Wiederherstellung der Trinkwasser- und Elektrizitätsversorgung, Beratung zur Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen sowie die psychologische Betreuung von Kriegsopfern. Die NATO flog derweil weitere schwere Angriffe gegen Tripolis. Seit Beginn der Operation »Unifield Protector« Ende März startete die NATO fast 11 000 Flügen gegen Libyen. Über 100 Schiffe wurden kontrolliert. Das beeindruckt Gaddafi wohl wenig. Am Sonntag hatte das libysche Staatsfernsehen gezeigt, wie Gaddafi und der Chef des internationalen Schachverbands Kirsan Iljumschinow eine Partie spielten. Angeblich ging es um die Vorbereitung eines Schachturnier im Oktober in Tripolis.

Unterdessen wird in den USA immer kritischer nach Gründen für die Anti-Gaddafi-Aktion gefragt. Der Begriff »Stellvertreter-Krieg« macht die Runde. Der Republikaner Craig Roberts, einst Vizefinanzminister unter Präsidenten Reagan, bleibt beispielsweise bei seinem im »Foreign Policy Journal« ausgesprochenen Verdacht, der Krieg richte sich eigentlich gegen Chinas Expansion in Afrika.

Laut Pekinger Handelsministerium waren im März 75 chinesische Großunternehmen in Libyen mit Verträgen im Wert von 18 Milliarden Dollar engagiert. Laut der südafrikanischen Standard Bank könnten Chinas Direktinvestitionen in Afrika bis 2015 etwa 50 Milliarden Dollar erreichen. Dank Afrika deckt das energiehungrige Land bis zu 28 Prozent seines Ölbedarfs.

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