Totschlagargumente

Kommentar von Roland Etzel

  • Lesedauer: 2 Min.

Gaddafis Vorschlag, in Libyen Wahlen abzuhalten, ist aus dem Hause Clinton umgehend abgelehnt worden. Es klingt ja auch merkwürdig. Noch niemals während seiner über 40 Jahre dauernden Herrschaft hat Gaddafi wählen lassen. Jetzt, in äußerster Bedrängnis, entschließt er sich dazu. Allerdings: Auch der Königsherrschaft, der Gaddafi 1969 ein Ende bereitete und zu deren Insignien sich seine jetzigen Gegner offen bekennen, waren Wahlen fremd. Und, man wundert sich etwas: Die Gegenargumente der US-Außenministerin sind von ergreifender Schlichtheit. Clinton bezeichnet das Angebot Gaddafis als »ein bisschen spät«. Außerdem sei es für ihn »Zeit zu gehen«. Auf Libyens Offerte, selbst die NATO zur Wahlbeobachtung zu akzeptieren, ging das State Department gar nicht ein. Da hat ihm Gaddafi wohl unversehens einen Pfeil aus dem Köcher genommen. Dessen Tage seien gezählt, hieß es nur aus Washington.

Doch sie zählen nun schon recht lange und können den Eindruck nicht vermeiden, dass sie es zu einem Zählen der Stimmen für Gaddafi auf keinen Fall kommen lassen wollen. Alles, was die NATO auch gestern und die Nacht davor ins Feld führte, kam aus Bombenflugzeugen und enthielt – sehr wörtlich zu nehmen – nichts als Totschlagargumente. Dass sie damit im Interesse der libyschen Bevölkerung, gar der Mehrheit agiert, hat sie bisher nicht nachweisen können, und man ahnt, warum.

Man kann deshalb sehr leicht erklären, warum den kriegführenden NATO-Staaten der Gedanke, mit Gaddafi tatsächlich weiter koexistieren zu müssen, so unendliche Pein bereitet. Zu akzeptieren ist es gleichwohl nicht.

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