Hüpfburg auf der Landebahn

Auf dem Fraport wurde die neue Piste gefeiert – Kritiker sprechen vom Tanz ums Goldene Kalb

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit großem Aufwand beging der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport am Wochenende die Fertigstellung einer neuen Landebahn und feierte zeitgleich das 75-jährige Bestehen des Flughafens. Ausbaugegner protestierten mit Mahnwachen und einer Flashmob-Aktion gegen Fluglärm und Naturzerstörung.

Zwei Tage lang konnten mehrere zehntausend Menschen wohl zum ersten und letzten Mal die neue Landebahn am Rhein-Main-Flughafen begehen, die in nordwestlicher Richtung unmittelbar jenseits der Autobahn A 3 an das Flughafengelände anschließt. Nach umfangreichen technischen und behördlichen Überprüfungen sowie Anflugtests soll die Bahn im kommenden Herbst für den regulären Flugverkehr freigegeben werden. Mit einem bunten Unterhaltungsprogramm, einer Ausstellung historischer Flugzeuge, Hüpfburgen für Kinder und anderen Hightech-Attraktionen war der Flughafenbetreiber am Wochenende um Volksfeststimmung bemüht.

140 000 Einsprüche

Im Terminal 1, das auch wegen des Ferienbeginns in Hessen und Rheinland-Pfalz am Wochenende gut gefüllt war, protestierten am frühen Samstagnachmittag allerdings über 150 Ausbaugegner mit einer sogenannten Flashmob-Aktion gegen das Bauprojekt. Als Bäume verkleidet fielen sie massenweise um und blieben einige Minuten lang am Boden liegen. »Die Verlärmung der Region ist kein Grund zum Feiern«, erklärte das Bündnis regionaler Bürgerinitiativen.

»Der Flughafenausbau schadet der Region mehr als er ihr nützt«, sagte Bündnissprecherin Ingrid Kopp. Es sei »ein Anachronismus ohnegleichen«, mitten in einem dicht besiedelten Ballungsraum einen Flughafen zum Passagier- und Frachtdrehkreuz globaler Bedeutung auszubauen. Dem Bau der Landebahn vorangegangen waren ein jahrelanges juristisches Tauziehen, Demonstrationen und Protestaktionen gegen die Rodung von rund 300 Hektar Bannwald zwischen dem Flughafen und der Stadt Kelsterbach am Main.

»Eingriffe in die Natur werden noch in Generationen spürbar sein«, warnte die Bürgerinitiative im nahen Eddersheim am Main und erinnerte daran, dass 140 000 Menschen in der Region schriftlich gegen den Ausbau Einspruch erhoben hätten. Die pompösen Feierlichkeiten und der »Brot und Spiele-Zirkus« am Wochenende seien eine Provokation der besorgten Anwohner und erinnerten auch an den »alttestamentarischen Tanz um das Goldene Kalb«, so die Eddersheimer Aktivisten. Schließlich habe man 1984 die auch damals jahrelang heftig umstrittene Startbahn West noch ganz ohne Spektakel eingeweiht. Heute jedoch hätten die Fraport-Manager jegliches Fingerspitzengefühl verloren. Die Initiativen fühlen sich auch deshalb »schamlos betrogen«, weil das zur Beschwichtigung der Ausbaugegner in einem Mediationsverfahren versprochene Nachtflugverbot nun doch nicht eingehalten wird. Letzte Woche kritisierte auch das Kelsterbacher Stadtparlament das große Fest auf der Landebahn. Für den Antrag stimmten eine Mehrheit von der Linkspartei bis zur CDU, Ablehnung kam nur von der SPD.

Wenig Freude am angeblichen Jobmotor Flughafen gibt es auch bei ver.di-Gewerkschaftern. »Es ›schleckert‹ überall«, kommentierte Fraport-Konzernbetriebsratschef Edgar Stejskal die massenhafte konzerninterne Leiharbeit beim Flughafenbetreiber Fraport, die vor allem über die eigene Tochtergesellschaft Airport Personal Service (APS) mit rund 2000 Beschäftigten erfolgt. Zwar habe die Gewerkschaft auch für APS einen Tarifvertrag abgeschlossen, aber im Betriebsalltag gebe es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft mit schlechterer Bezahlung und unsicheren Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeiter.

Statt das »ausbeuterische Lohndumping« unter dem Druck der Luftverkehrsgesellschaften fortzusetzen, müsse Leiharbeit auf ein unverzichtbares Mindestmaß zurückgeführt werden, verlangt der Betriebsrat. Wenn sich die EU-Kommission mit ihrer Forderung nach einer weiteren Marktöffnung durchsetze, würden noch mehr Billiglohnunternehmen wie Pilze aus dem Boden schießen und die Qualität und Sicherheit am Flughafen beeinträchtigen, warnen Gewerkschafter.

Wechsel in die FDP

Unterdessen hat sich der letzte verbliebene Stadtverordnete der Liste der Flughafenausbaugegner (FAG) im Frankfurter Rathaus, Rainer Rahn, in der vergangenen Woche der FDP-Kommunalfraktion angeschlossen, die stets konsequent für den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens eingetreten war. Die Liste FAG hatte in den Jahren 2001 und 2006 mit ihrem Nein zum Ausbau 3,9 beziehungsweise 3,8 Prozent und damit jeweils vier Mandate errungen. Bei der Kommunalwahl im März 2011 stürzte sie auf 1,4 Prozent der Stimmen ab und erhielt nur noch ein Mandat. Rahn sieht in dem Anschluss an die FDP-Fraktion bessere Arbeitsmöglichkeiten gegenüber einem Status als Einzelkämpfer ohne Fraktionsstatuts.

Dem Vernehmen nach bestehen in der Planungs-, Bildungs-, Sozial- und Finanzpolitik »viele Übereinstimmungen« zwischen den Liberalen und Rahn. Demgegenüber seien Gespräche mit der Bunten Fraktion, in der sich unter anderen Vertreter der Piratenpartei und der Liste Ökolinx der ehemaligen Grünen-Bundessprecherin Jutta Ditfurth zusammengeschlossen haben, ergebnislos verlaufen, so Rahn.

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