Die meisten Schüler der Klassen 11 bis 13 und der berufsbildenden Schulen in Niedersachsen müssen ihre Fahrten von und zur Schule nach wie vor selbst bezahlen. Ein Gesetzentwurf der Linksfraktion mit dem Ziel, der Schülertransport solle grundsätzlich von der öffentlichen Hand getragen werden, ist im Landtag sowohl von der regierenden CDU/FDP-Koalition als auch von der SPD abgelehnt worden; die Grünen enthielten sich der Stimme.
Der Zugang zu weiterbildenden Schulen dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein, betonte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christa Reichwaldt. Deshalb sei es notwendig, auch Schüler höherer Jahrgänge kostenlos zu befördern. Besonders kinderreichen und einkommensschwachen Familien falle es schwer, die Monatsfahrkarten zu bezahlen, die häufig zwischen 30 und 40 Euro – manchmal aber auch um die 100 Euro kosteten. Vor allem in ländlichen Regionen müssten Eltern oft relativ hohe Beträge aufwenden, damit die Jugendlichen ihre teils über 20 Kilometer entfernten Schulen erreichen. Das Arbeitslosengeld II fange insbesondere bei weiten Schulwegen die Fahrtkosten nur zu einem geringen Teil auf. Zwar werde von der niedersächsischen Regierung auf mögliche Leistungen aus dem »Bildungspaket« für sozial schwache Familien hingewiesen, aber, so Christa Reichwaldt: Erst einmal sei ein gewisser bürokratischer Aufwand nötig, ehe das Fahrgeld »wie ein Gnadenakt« gewährt werde.
Selbst wenn Sozialhilfeträger beim Bezahlen der Schülertickets einsprängen, sei nicht jede Notsituation abgedeckt, gibt die LINKE zu bedenken: »Familien, die keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch haben, weil sie knapp über den Bemessungsgrenzen liegen, sind von diesen Unterstützungsmöglichkeiten gar nicht erfasst«, heißt es in der Begründung zum Gesetzes-Antrag.
Eine Schullaufbahn dürfe nicht von den Finanzen der Familie abhängen, bekräftigte auch der Kultusexperte der SPD, Claus Peter Poppe. Doch: Die Sache sei kompliziert, viele Fragen seien im Fachausschuss nicht detailliert erörtert worden. Deshalb stimme die SPD dem Gesetz nicht zu.
Ina Korter, Bildungssprecherin der Grünen, befürwortete ebenfalls das grundsätzliche Ziel der LINKEN. Aber: Dessen Realisierung würde laut Kultusministerium den Haushalt jährlich mit zusätzlich 75 Millionen Euro Ausgaben belasten. Zunächst müsse in puncto Finanzierung des Bildungsbereichs über Prioritäten gesprochen werden, zum Beispiel über die frühkindliche Förderung. Alles auf einmal lasse sich nicht finanzieren. Die Fraktion habe sich deshalb zur Stimmenthaltung entschlossen.
Die Argumentationen von CDU und FDP und auch von Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) gegen den Gesetzentwurf lassen sich im Wesentlichen auf wenige Worte zusammenfassen: »Das Land hat nicht genug Geld.« Nicht genug Geld, um ihren Kindern nach der 10. Klasse die Fahrten zur Schule zu bezahlen, werden in Niedersachsen auch künftig so manche Eltern haben.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/200957.wie-ein-gnadenakt.html