nd-aktuell.de / 30.06.2011 / Brandenburg / Seite 11

Auf dem Weg nach München

Mieten in der Berliner Innenstadt steigen rasant, am stärksten aber in Lichtenberg

Bernd Kammer

Was Mieter schockiert, erfreut die Immobilienwirtschaft: Die Mieten insbesondere in den begehrten Stadtteilen Berlins steigen rasant. Nach dem vom Senat vor einem Monat veröffentlichten Mietspiegel bestätigt dies jetzt auch die Untersuchung des Immobilienverbands Deutschland (IVD). Demnach sind die sogenannten Marktmieten, die bei Neuvermietung verlangt werden, in den vergangenen zwei Jahren um 7,3 Prozent gestiegen, doppelt so schnell wie die Verbraucherpreise. In »Standardwohnlagen« liegen sie im Schnitt bei monatlich 6,20 Euro pro Quadratmeter und damit um knapp einen Euro über dem Mietspiegel. In guten Wohnlagen werden bereits 7,50 Euro fällig.

Das zeigt, wohin die Mietentwicklung geht. Denn im Gegensatz zum offiziellen Mietspiegel des Senats, der auf bestehende Mietverhältnisse anzuwenden ist, weist der IVD-Spiegel aus, was auf Wohnungssuchende zukommt. Immerhin werden jährlich in Berlin rund 200 000 Wohnungen neu vermietet, meist zu beträchtlich höheren Preisen als vorher. Und die gehen dann wieder in den offiziellen Mietspiegel ein, was die Mieten auf breiter Front nach oben treibt. Nach einer Umfrage des Marktforschungsunternehmen BulwienGesa erwarten Immobilienexperten in Berlin stärkere Mietsteigerungen als in München, Hamburg oder anderen deutschen Großstädten.

Man könne in Berlin aber auch noch billig wie in Rostock oder Bielefeld wohnen, beruhigt der IVD-Vorstandsvorsitzende Dirk Wohltorf. »Münchner Verhältnisse« sieht er nur in Einzellagen. Ansonsten findet er es aber erfreulich, dass das Luxussegment zunimmt und immer mehr Wohnungen für zehn bis 20 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. Bezahlen können das vor allem Neuberliner. Wenn einer 200 000 Euro verdient und sich eine Miete von 2000 Euro leisten kann, sei das doch in Ordnung, so Wohltorf.

Dass dadurch alteingesessene Mieter verdrängt werden, können die IVD-Makler nicht erkennen. Es gebe allerdings kein Recht darauf, in einer Seitenstraße des Kudamms zu wohnen. Doch ziehen laut IVD-Marktspiegel auch in ehemals weniger begehrten Gebieten die Mieten stark an. So weist Lichtenberg mit 14,3 Prozent die stärkste Steigerung in Berlin aus. Statt 4,80 Euro pro Quadratmeter vor zwei Jahren werden hier für Standardwohnungen schon 5,60 Euro fällig, in guten Lagen 6,30 Euro. IVD-Sachverständiger Andreas Schorlies sieht den Grund dafür in einem »Überschwappen« von Wohnungssuchenden aus Prenzlauer Berg oder Friedrichshain, die dort keine preisgünstigen Wohnungen mehr finden. Ähnlich dürfte es sich mit Neukölln verhalten, wo die Mieten um 13,7 Prozent anstiegen. Der Norden Neuköllns werde vor allem durch das umgenutzte Tempelhofer Flughafengelände aufgewertet. Auf Platz drei folgt Mitte mit zwölf Prozent, wo auch Teile von Wedding sich zunehmender Beliebtheit erfreuen.

Am meisten muss für einen neuen Mietvertrag mit 7,25 bzw. 7 Euro weiterhin in Charlottenburg-Wilmersdorf und in Mitte gezahlt werden. Spitzenmieten werden im Scheunenviertel und der Dorotheenstadt in Mitte sowie den Kudamm-Nebenstraßen mit 14,50 Euro fällig.

Wer günstige Wohnungen sucht, sollte sich in Marzahn-Hellersdorf oder Spandau umsehen, wo die Mietentwicklung stagniert. Ein Ausdruck geringerer Nachfrage. Allerdings werden auch hier bereits im Schnitt 5,55 bzw. 5,40 Euro pro Quadratmeter fällig. »Die Spaltung des Berliner Wohnungsmarktes setzt sich fort«, konstatieren die Makler, in den Trendlagen übersteige die Nachfrage das Angebot. Einen Ausweg für die gebeutelten Mieter sehen sie aber auch: die Bildung von Wohneigentum.

  • In den vergangenen zwei Jahren stiegen die Neuvertragsmieten in Berlin im Durchschnitt um 7,3 Prozent, die Verbraucherpreise lediglich um 3,6.
  • 2009 musste bei Neubezug im Schnitt eine Miete von 5,80 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden, 2011 werden 6,20 Euro fällig.
  • In beliebten Stadtteilen werden bereits 7,50 Euro verlangt, vor zwei Jahren waren es 6,99 Euro.
  • In Lichtenberg stiegen die Mieten mit 14,3 Prozent schneller als in Mitte, wo sie um zwölf Prozent zulegten.
  • Stagniert haben die Mieten in Spandau und Marzahn-Hellersdorf.
  • So stiegen die Mieten in den anderen Bezirken: Neukölln plus 13,7 Prozent; Friedrichshain Kreuzberg 9,1; Tempelhof-Schöneberg 8,6; Pankow 8,3; Reinickendorf 7,9; Charlottenburg-Wilmersdorf 7,4; Steglitz-Zehlendorf 3,8; Treptow-Köpenick 2,5.