nd-aktuell.de / 06.07.2011 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

Weiterhin Kleingedrucktes für Verbraucher

Neue Kennzeichnung von Lebensmitteln in der EU soll beschlossen werden

Ulrike Henning
Heute stimmt das EU-Parlament über die Kennzeichnung von Lebensmitteln ab. Nachdem die von Verbraucherschützern befürwortete Ampel-Kennzeichnung in erster Lesung gekippt wurde, gilt der jetzige Kompromiss als mehrheitsfähig. Er dürfte ab 2014 in Kraft treten.

Ein gewaltiges Stück Arbeit liegt hinter Renate Sommer (CDU). Die Abgeordnete des Europäischen Parlaments ist Berichterstatterin für Lebensmittelkennzeichnung und führte die Verhandlungen zu der jetzt vorliegenden Verordnung.

Mehr als 3000 Änderungsanträge waren zu bewerten, zu Hunderten sprachen diverse Lobbyisten vor. Zusammengetragen wurde eines der größten Dossiers, das der Umweltausschuss – dem Lebensmittelfragen zugeordnet sind – je bearbeitet hat.

Die neuen Regelungen betreffen den gesamten Lebensmittelsektor aller 27 Mitgliedstaaten, und der sei, darauf legt Sommer Wert, »zu 70 Prozent Mittelstand«. Herausgekommen sei ein Gesetz für die Branche, »aber auch für die Verbraucher«. Beide Seiten würden profitieren. Am 21. Juni hatte der EU-Ministerrat grünes Licht für die strengeren Vorschriften gegeben. Die neuen Standards gewährleisten bessere und lesbare Informationen auf den Verpackungen.

Die Verhandlungen, so erklärte die promovierte Agrarwissenschaftlerin in der vergangenen Woche in Berlin, waren teils sehr schwierig. Die Interessen der verschiedenen Herstellergruppen und vielfältige Anliegen von Verbraucherschützern waren zu bewerten und unter einen Hut zu bringen.

Das Ergebnis sind etliche zusätzliche Angaben auf den Verpackungen. Die künftig verpflichtende Schriftgröße wurde mit 1,2 Millimeter festgelegt. Kontrast und Schriftart bleiben, wie auch viele andere Details, noch durch die EU-Kommission zu regeln. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte diese Regelung positiv bewertet. Die Verbraucherorganisation foodwatch kommentierte hierzu: »Nicht nur ältere Menschen dürften dies anders beurteilen«.

Eine Schriftgröße von drei Millimeter erwies sich als »technisch nicht mehr machbar«. Dieses Argument scheint in einigen Streitfällen zu Entscheidungen geführt zu haben. In der Frage der Lesbarkeit drohe ansonsten der »Beipackzettel zur Kekspackung«. In anderen Fällen, etwa bei den veränderlichen Bestandteilen von pflanzlichen Ölen, die nicht in ihrem genauen Verhältnis angegeben werden müssen, kam man den Produzenten der Mixöle deutlich entgegen. Fortan gekennzeichnet werden müssen auch Imitate als solche – aber nicht mit dem Begriff an sich. Die Zumutung war dann doch zu groß. Immerhin muss jetzt der Ersatzinhaltsstoff – bei Analogkäse also Pflanzenfett – auf der Vorderseite in 75 Prozent der Größe des Markennamens erscheinen.

Einen weiteren neuen Schutz vor Irreführung der Verbraucher gibt es insofern, als Hinweise auf nicht vorhandene Inhaltsstoffe verboten sind, wie etwa Fotos von taufrischen Erdbeeren auf Joghurt, der nur Aromastoffe enthält. Die Herkunft muss künftig nicht nur bei frischem Fleisch vom Rind angegeben werden, sondern auch dann, wenn es von Schaf, Geflügel oder Schwein stammt.

Dennoch sind insbesondere Verbraucherorganisationen mit der Form der Information über Energiegehalt sowie Zucker, Salz, Fett und ungesättigte Fettsäuren nicht zufrieden. Sie hatten eine Ampellösung präferiert, die Gesundheitsgefahren deutlich signalisiert. Mit großem Einsatz waren Vertreter der Hersteller dagegen vorgegangen.

Vertagt wurde die Alkohol-Frage. An den fehlenden europäischen Definitionen für Alcopops scheiterte deren Einordnung in den Vorschriftenkatalog. In den drei Jahren nach Inkrafttreten der aktuellen Verordnung soll hierfür eine Studie erarbeitet werden.

Erstaunliches offenbarte sich in der Frage von rituell, also ohne Betäubung geschlachteten Tieren. Deren Fleisch wird etwa in Frankreich, Belgien und Großbritannien schon in einem viel stärkeren Maße auf den Markt gebracht als ein Bedarf der Religionsgemeinschaften nachweisbar ist. Das geschieht aus praktikablen Gründen: So müssen etwa Caterer und Kantinen nicht mit verschiedenen Sorten Fleisch wirtschaften, sondern bieten einfach allen Kunden das geschächtete an. Die Frage soll bei der Lebensmittelkennzeichnung ausgeklammert und im Rahmen der EU-Tierschutzstrategie im Herbst behandelt werden.


Das ändert sich

  • Für Fleisch muss der Verpackungsort, nicht aber der Aufzuchtsort angegeben werden.
  • Die Buchstaben auf Etiketten sollen mindestens 1,2 Millimeter groß sein.
  • In einer Tabelle soll zukünftig angegeben werden: Zucker, Fett und Salz sowie Energiegehalt und Kohlenhydratmenge.
  • Imitate wie Analogkäse müssen deutlich gekennzeichnet sein.
  • Allergie auslösende Stoffe wie Erdnüsse, Milch und Fisch müssen auch auf unverpackter Ware ausgewiesen sein.
  • Nanopartikel in Lebensmitteln müssen entsprechend gekennzeichnet sein.
  • Koffeinhaltige Lebensmittel, zum Beispiel Energy-Drinks, müssen einen Warnhinweis für Schwangere und Kinder tragen.


ND