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Promistrand für jedermann

Lido in Venedig wird durch Verordnung für Normalsterbliche zugänglich

  • Anna Maldini
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der Strand vom Lido wird demokratisch«. So haben in den letzten Tagen zahlreiche italienische Medien getitelt. Der Lido ist die Luxusinsel vor Venedig, die auch durch das alljährliche Filmfestival weltberühmt geworden ist. Und mit »demokratisch« ist gemeint, dass jetzt – so will es der Bürgermeister – auch die Menschen dort in die Fluten steigen können, die nicht unbedingt zu den »Reichen und Schönen« gehören.

In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts war der Lido der vielleicht berühmteste Strand der Welt. Die Adria ist hier besonders blau, der Sand besonders weiß und weich, und darauf stehen die berühmten »Capanne«, was eigentlich »Hütte« bedeutet, aber mit einer normalen Umkleidekabine nichts gemeinsam hat. Es handelt sich um regelrechte Luxushäuschen in exotischen Stil mit eigenem Bad und schönem Vordach. Gleich dahinter einige der berühmtesten (und teuersten) Hotels der Welt, in denen nicht nur zu Festspielzeiten Stars und andere gut betuchte Gäste nächtigen. Und dahinter dann der Filmpalast, das Casino, die Flaniermeile … Aber wer viel Geld hat, der bleibt bekanntlich gerne unter sich und will sich nicht unters »gemeine Volk« mischen.

Doch das soll jetzt anders werden. Der Bürgermeister von Venedig (der Lido ist ein Teil der Lagunenstadt) Giorgio Orsoni hat das Strandreglement für diese Saison unterzeichnet, und das war für einige ein Schock und für viele eine Freude. Erst werden dort die üblichen Verbote noch einmal aufgezählt: Keine Hunde, keine laute Musik, Haarwaschmittel nur in eigens dafür vorgesehenen Duschen, Sauberkeit, und so weiter und so fort. Aber dann kommt der Teil des Regelwerkes, der die emotionalen Wellen höherschlagen lässt. Es wird nämlich unterstrichen, dass ein so genannter »Privatstrand« eigentlich gar nicht privat sein kann und darf. Erstens muss der Betreiber des jeweiligen Strandbades jedem Menschen – die Betonung liegt auf jedem – den Durchgang zum Meer gestatten. Und zweitens gehören die fünf Meter oberhalb des eigentlichen Ufers (also dort, wo Wasser und Strand aufeinander treffen) dem Staat und können weder verkauft noch verpachtet werden. Und also hat jeder das Recht, sich in diesen fünf Metern aufzuhalten und dort auch sein Handtuch hinzulegen und sich zu sonnen – man darf nur keinen Sonnenschirm aufbauen, weil dies die anderen Urlauber behindern könnte. Eigentlich hat Bürgermeister Orsoni damit überhaupt nichts Neues verkündet sondern einfach noch einmal das überall in Italien geltende (aber nicht überall eingehaltene) Recht bekräftigt.

Trotzdem sind die Betreiber der Luxus-Strände schockiert – und irgendwie kann man das ja auch verstehen. Denn wer etwa vor dem Hotel Excelsior eine Umkleidekabine, einen Sonnenschirm und zwei Liegestühle mieten will, muss schon mal – je nach Lage und Saison – bis zu 10 000 Euro monatlich hinblättern! Und wer das finanziell stemmen kann, will dann vielleicht nicht nur ein paar Meter entfernt den Arbeiter aus der eigenen Fabrik, das Hausmädchen oder gar den Straßenfeger sehen, der außerdem keinen Cent zahlen muss, um seine Füße zu kühlen! Aber so ist das nun mal mit der Demokratie …

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