nd-aktuell.de / 08.07.2011 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Was bedeutet die Zinserhöhung?

Roland Süß über die Entscheidung der EZB / Süß ist Mitglied im Koordinierungskreis des globalisier-ungskritischen Netzwerk Attac

ND: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins auf 1,5 Prozent erhöht. Attac kritisiert diesen Schritt. Warum?
Süß: Wenn der Leitzins erhöht wird, verteuern sich als Konsequenz die Kredite, was bei den verschuldeten Ländern zusätzlich Probleme schafft, weil sich die Zinsen ihrer Kredite erhöhen. Als Folge können sie die Krise noch schwerer überwinden, und es besteht zusätzlich die Gefahr einer Rezession. Im Prinzip ist diese Zinserhöhung nur für Banken interessant oder teilweise für die Länder und die Wirtschaften in den nördlichen Regionen und vor allem für Deutschland.

Was hat denn die Erhöhung des Leitzinses konkret für Auswirkungen beispielsweise auf Griechenland?
Für Griechenland heißt das, dass die Zinsen steigen. Das Land – wie auch andere südeuropäische Länder – muss ja momentan einen großen Teil seines Wirtschaftsaufkommens für Zinsleistungen bezahlen. Daher trifft es diese Länder eindeutig am stärksten. Griechenland wird nicht gerettet, sondern kaputt gespart.

Sie kritisieren die EZB als Hardliner innerhalb der Troika von Internationalem Währungsfonds (IWF), EU und Europäischer Zentralbank. Warum?
In den vergangenen anderthalb Jahren hat sich die EZB für eine rigide Privatisierung, für Sozialabbau und Steuererhöhungen eingesetzt. Ihre Forderungen gehen weit über das hinaus, was der IWF sowieso schon an Privatisierungen und Strukturanpassungen fordert. Tatsächlich war der Internationale Währungsfonds da noch etwas sanfter, was ungewöhnlich für diese Institution ist.

Der neue EZB-Chef Mario Draghi wird diese Politik weiter verfolgen.
Ja, Draghi ist ja der ehemalige Chef von Goldman Sachs Europe. Jetzt soll er als Vorstand der EZB dafür sorgen, dass Länder wie Griechenland eine stabile Haushaltspolitik machen. Dabei war er Vorstand zu einer Zeit, als Goldman und Sachs den Griechen dabei geholfen hat, ihre Bilanzen zu schönen. Jetzt soll er genau diese Politik kritisieren. So macht man den Bock zum Gärtner. Zudem ist zu befürchten, dass er seiner Devise treu bleibt, eine Politik zu betreiben, die letztendlich den Banken dient und nicht der Bevölkerung.

Welche Alternativen hat die EZB Ihrer Meinung nach?
Es ist ja so, dass die Europäische Zentralbank nicht allein dasteht, sondern es gibt insgesamt eine wirtschaftliche Situation, in der wir fordern, dass der Einfluss der Finanzmärkte generell eingedämmt werden muss. Dazu gehört seit Jahrzehnten unsere Forderung nach einer Devisentransaktionssteuer. Zudem braucht Europa eine unabhängige europäische Ratingagentur. Die Ratingagenturen werden von den Banken und Finanzmärkten finanziert, das heißt auch, sie arbeiten in deren Auftrag und nicht im Auftrag der Bevölkerung. Im konkreten Fall Griechenland wollen wir zudem ein Schuldenmoratorium. Denn klar ist in dieser Situation auch, Griechenland kann seine Schulden letztlich nicht alle begleichen. Es muss also analysiert werden, welche Schulden sind wie entstanden, welche Schulden sind legitim, welche sind nicht legitim.

Welche Schulden sind Ihrer Meinung nach nicht legitim?
Beispielsweise hat die deutsche Regierung, kurz bevor das Schuldenpaket gegriffen hat, die griechische Regierung mehr oder weniger gezwungen, noch mehr Geld für Rüstungsaufträge für deutsche Rüstungsindustrien auszugeben. In einem solchen Fall stelle ich mir schon die Frage, sind solche Schulden legitim?

Fragen: Haidy Damm