nd-aktuell.de / 09.07.2011 / Berlin / Seite 15

Feste Feiern, sauber bleiben

Berlins Großveranstaltungen haben ein Müllproblem – nun berät die Grüne Liga die Veranstalter

Sonja Vogel

Berliner kennen den Anblick: Überquellende Abfallbehälter, Becher und Plastikgeschirr am Straßenrand. Nach großen Festen bleiben große Mengen an Müll zurück. Und in der Hauptstadt wird viel gefeiert. Etwa 150 Straßenfeste und 50 Großveranstaltungen mit jeweils über 100 000 Besuchern finden jährlich statt. Das bedeutet 1600 Tonnen Abfall pro Jahr.

»Berlin ist die Hauptstadt der Großveranstaltungen«, sagte gestern Umweltsenatorin Katrin Lompscher. »Da dürfen wir die Abfallvermeidung nicht vergessen.« Gemeinsam mit Stefan Richter, dem Geschäftsführer der Grünen Liga Berlin, und der Pressesprecherin der Berliner Stadtreinigung (BSR), Sabine Thümler, stellte sie das Projekt »Abfallarme Großveranstaltungen und Straßenfeste« vor. Den Veranstaltern sollen konkrete Vorschläge zur Müllvermeidung gemacht werden.

Mit 90 000 Euro aus den Mitteln des Förderfonds Trennstadt Berlin der Stiftung Naturschutz werden von April 2011 an Großveranstaltungen wie die Silvesterparty am Brandenburger Tor, der Christopher Street Day oder der Karneval der Kulturen untersucht und beobachtet. Bis März 2013 sollen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen veröffentlicht werden, die Veranstaltern bei der Müllvermeidung helfen sollen. Glaubt man den Fachleuten, ist dies bitter nötig. »Wir haben festgestellt, dass seit den 90ern auf Veranstaltungen immer mehr Müll anfällt und Mehrwegsysteme wegfallen«, kritisiert Richter. So ist heute in Berlin nur noch einer von sechs mobilen Spülwagen in Betrieb. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Dimensionen von Großveranstaltungen und die Esskultur selbst: Speisen und Getränke zum Mitnehmen werden in Verpackungen zum Wegwerfen gereicht. »Auch psychologisch ist es wichtig, dass uns Müllvermeidung überall begegnet«, erläutert Sabine Thümler. Denn Negativbeispiele gibt es viele: 40 Tonnen Einwegbecher und Schutzfolien beim diesjährigen Berlin Marathon, 20 Tonnen beim CSD. Die Gründe: Einweggeschirr, Plastikbecher, fehlende Infrastruktur zur Abfalltrennung.

»Es geht anders«, weiß Richter. Auf dem Umweltfestival zum Beispiel wurden Mehrwegsystem und Mülltrennung etabliert. Lediglich 15 Abfalltüten fielen so bei 100 000 Besuchern an. Auch eine von der Stiftung Naturschutz in Auftrag gegebene Studie besagt, dass sich das Abfallvolumen durch die Umstellung auf Mehrweg um 30 Prozent verringern lässt, durch Mülltrennung noch einmal um 60 Prozent. »So bleiben nur 10 Prozent Abfall, die entsorgt werden müssen«, sagt Richter. Allerdings ist der Karneval der Kulturen mit über einer Million Besuchern etwas anderes als das Umweltfestival mit seinen für das Thema sensibilisierten Besuchern. Der Karneval wurde in diesem Jahr bereits beobachtet. Die Organisatoren hätten ein großes Interesse an Veränderungen, betont Richter. »Durch Müll waten zu müssen macht Veranstaltungen nicht attraktiv.«

Tatsächlich wird die Müllvermeidung und -trennung bei Großveranstaltungen reguliert. »Es gibt nach wie vor Vorschriften«, betont Lompscher. Vorgeschrieben sind etwa Mehrwegverpackungen und die Mülltrennung, Portionsverpackungen sind nicht erlaubt. Diese Bestimmungen gelten aber nur für die wenigen von der Stadt veranstalteten Events. Für sonstige wird eine Sondernutzungserlaubnis erteilt, in der die jeweiligen Bezirke dem Veranstalter Auflagen erteilen. Oder eben nicht. »Nur in sechs Bezirken ist das Mehrwegsystem vorgeschrieben«, sagt Richter. Auch die Kontrolle der Einhaltung könne nicht geleistet werden.

Warum aber wird den Veranstaltern öffentlicher Feste nicht generell das Mehrwegsystem zur Auflage gemacht? »Ich fürchte, das ist nicht möglich«, sagt Lompscher. Allerdings gibt sie zu, dass eine genaue Prüfung noch ausstehe. Fürs erste wird man darum auf den Erfolg des Pilotprojekts der Grünen Liga hoffen müssen.