Ist eine Erwerbstätigkeit während des Urlaubs grundsätzlich verboten?

Leserfragen zum Bundesurlaubsgesetz

  • Lesedauer: 4 Min.

Meine Arbeit besteht überwiegend aus Schreibtischarbeit. Nun möchte ich während meines Urlaubs in der Landwirtschaft etwas körperliche Arbeit leisten, als Ausgleich sozusagen. Geht das, oder ist jegliche Erwerbstätigkeit im Urlaub verboten?
Georg H., Wittenberge

Der § 8 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt deutlich: »Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten«. Man muss deshalb grundsätzlich von einem Verbot einer Erwerbstätigkeit ausgehen.

Das entspricht dem Anliegen des jährlichen Erholungsurlaubs. Denn es handelt sich dabei doch um eine bezahlte Freistellung von der Arbeit, um dem Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers mithin der Reproduktion seiner Arbeitskraft nachzukommen. Zudem dient der Urlaub auf längere Sicht der Gesunderhaltung des Beschäftigten.

Gesetzgebung und Rechtsprechung schützen dieses Recht auf Urlaub immer wieder durch die Möglichkeiten der tariflichen Ausgestaltung und durch gerichtliche Entscheidungen.

Das BUrlG schränkt das Verbot von Erwerbstätigkeit während des Urlaubs ein, knüpft aber an die Zulässigkeit die Bedingung, dass sie »dem Urlaubszweck nicht widersprechen darf«. Das ist ein weites Feld.

Die Rechtsprechung hat indes die Grenzen eng gesetzt. Danach ist eine Erwerbstätigkeit zulässig, wenn der Arbeitnehmer eine Art Ausgleichsarbeit verrichten will, wie das in der Leserfrage der Fall ist. So wird jemand, der vorwiegend Büroarbeit leistet, in landwirtschaftlichen oder handwerklichen Berufen gewisse körperliche Ausgleiche finden. Hingegen wird ein Beschäftigter mit schweren körperlichen Arbeiten im Urlaub seinem Hobby – nämlich am Computer Programme zu entwickeln – nachkommen können, um damit Geld zu verdienen. Aus diesen Beispielen wird deutlich, was der Gesetzgeber mit seiner Regelung meint.

Andererseits hat man den Realitäten des persönlichen Lebens der Arbeitnehmer Rechnung getragen und ist in der Auslegung des Gesetzes großzügiger.

Zwei Beispiele
1. Zulässig ist eine Nebentätigkeit, die der Arbeitnehmer auch ohne Urlaub ausgeübt hat, will er sie im Urlaub weiter ausüben.

2. Nicht selten wird die Frage gestellt, ob das Erwerbsverbot auch zutrifft, falls der Arbeitnehmer im Urlaub Gefälligkeitshilfen oder Freundschaftsdienste bei Nachbarn oder Freunden übernehmen will, oder er arbeitet an seinem Eigenheimbau. Hier geht es nicht um eine Erwerbstätigkeit, also um Arbeiten ohne Entgelt. Das ist erlaubt, selbst wenn sie körperlich belastend ist.

Muss ich meinem Chef meine Urlaubsanschrift angeben?

Ich bin als Fachverkäuferin in einer Möbelfirma tätig. Mein Chef verlangt von mir, dass ich ihm meine Urlaubsanschrift angeben muss. Muss ich das tun?
Sabine W., Berlin

Nein, Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, dem Chef die Urlaubsanschrift mitzuteilen. Geschieht dies dennoch freiwillig, wodurch der Arbeitgeber Kenntnis vom Urlaubsort hat, darf er dennoch davon keinen Gebrauch machen und ihn aus dem Urlaub zurückholen.

In Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Beschäftigte nicht verpflichtet werden darf, den gewährten Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen. Der Arbeitnehmer – so das BAG – hat Anspruch auf einen ununterbrochenen Urlaub. Diese Zeit dient der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und der Stabilisierung seiner Gesundheit (BAG vom 14. März 2006, Az. 9 AZR 11/05).

Die Rechtslage geht sogar so weit, dass selbst eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen hin zur Arbeitsleistung zur Verfügung zu stehen, rechtsunwirksam ist. Solch eine Vereinbarung verstößt gegen § 13 BUrlG, der die Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruchs festschreibt (BAG vom 20. Juni 2000, Az. 9 AZR 405/99).

Aus diesen Entscheidungen ist herzuleiten, dass es für die Pflicht des Arbeitnehmers, die Urlaubsanschrift anzugeben, keine Rechtsgrundlage gibt.

Nun kann es in der Firma vereinzelt Beschäftigte geben, die unersetzbar sind und demzufolge, falls sogenannte Notfälle auftreten, angesichts ihrer Stellung im Betrieb zurückgerufen werden müssten. Auch für diesen Personenkreis gelten grundsätzlich die genannten Regelungen mit den hier genannten BAG-Urteilen.

Ein Urlaubsrückruf wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn bestimmte Mitarbeiter durch ihre Rückkehr die Firma vor der Pleite retten könnten. Aber das Arbeitsleben ist in dieser Hinsicht sehr vielfältig.

Das Argument mancher Arbeitgeber allerdings, dass bestimmte Beschäftigte wirklich unersetzbar sind und in Notfällen ohne Wenn und Aber aus dem Urlaub geholt werden dürfen, kann nicht überzeugen. Der Arbeitgeber ist nämlich verpflichtet, bei begründeter Abwesenheit von der Arbeit (zum Beispiel bei gesetzlichen Freistellungen wie Krankheit) im Notfall für geeignete Ersatzkräfte zu sorgen, schon um die Arbeits- und Betriebsabläufe fortsetzen zu können.

Kurzum: Kein Urlaubsrückrufrecht und damit auch keine Urlaubsanschrift.

Prof. Dr. JOACHIM MICHAS

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