nd-aktuell.de / 16.07.2011 / Kultur / Seite 24

Die Suche

Schulz-Semrau 80

Ein Wort hat sie geradezu zur Zauberformel erhoben: Karalautschi, der altehrwürdige, seltsam verspielte, märchenhaft verschlungene, lange in ältesten Archiven verborgene Name für Königsberg. Dort wurde sie 1931 geboren, dort wurde ihr von rabiater Weltgeschichte, die gern zusammentreibt, auseinandertreibt, in vier Winde vertreibt, die Heimatlosigkeit beschieden. Die einen Menschen erst im Älterwerden als Schmerz heimsucht. Und im Schmerz als Glück erscheinen kann, denn: Just bohrende Fragen zur Heimat sind jene Antwort, die einzig Literatur gibt. Literatur kann Kindheit nicht zurückbringen, aber Spuren dorthin so zu entdecken, dass man sich selbst entdeckt. Vor allem in den Büchern »Auf der Suche nach Karalautschi« und »Drei Kastanien aus Kaliningrad« ist Elisabeth Schulz-Semrau ganz bei sich.

Die einstige Lehrerin (da erste Gedichte), die Dozentin am Leipziger Literaturinstitut, dann freischaffende Schriftstellerin (»Ausstellung einer Prinzessin«, »Die Beurteilung«, »Küchengespräche mit Frau L.«) – ist nun 80 geworden. Überm Schreibtisch, so zeigt es ein früheres Foto, ein Bild von Anna Seghers. Auch eine Wurzel ihrer Kraft, ihrer literarischen Ethik. hds