Die Kleist-Baustelle

Frankfurt (Oder) lädt zur Feier des 200. Todestages

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn ein staatspolitisches Jubiläum und ein kulturpolitische Jubiläum zusammenfallen, dann stehen dafür in der Regel die würdigen Gebäude bereit. Im Kleist-Jahr, das die Stadt Frankfurt (Oder) derzeit ausrichtet, ist das allerdings anders. Es findet nicht im neuen Erweiterungsbau des Kleist-Museums statt, sondern vielmehr neben einer Baustelle. Denn während zum 200. Todestag des Dichters ein beeindruckendes Feuerwerk an Programm abgebrannt wird, errichten Baufirmen den Museumsanbau gerade einmal. Seine Eröffnung ist für das kommende Jahr geplant.

Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) empfahl gestern in diesem Zusammenhang, nicht zurückzublicken, sondern sich daran zu freuen, dass ein Bauwerk entsteht, um das lange, eigentlich schon zu DDR-Zeiten, gerungen worden ist. Aber vielleicht ist die Baustelle nicht nur kein Unfall, sondern sogar die adäquate Darstellung und »Bühne« für die Präsentation dieses merkwürdigen Dichterlebens und -werkes. Nicht von ungefähr heißt die wichtigste Ausstellung in diesem Zyklus »Kleist – Krise und Experiment«.

Er war unzufrieden, depressiv, scharfsinnig, unstet, lebensmüde und zu seiner Zeit mit seinem Werken vollkommen erfolglos. Heinrich von Kleist, der bedeutendste Sohn Frankfurts (Oder), erschoss sich vor 200 Jahren am Kleinen Wannsee bei Berlin. Zuvor tötete er seine Gefährtin Henriette Vogel, wie manche glauben, auf deren Wunsch hin. Frankfurt, die mit aufregenden Attraktionen nicht gerade gesegnete märkische Stadt im Osten, feiert ihren berühmten Sohn in diesem Jahr als einen der größten deutschen Dramatiker und Erzähler, der sogar den »märkischen Goethe« Theodor Fontane in den Schatten stelle, wie Museumsleiter Wolfgang de Bruyn gestern sagte.

Die Akteure gestalten ein Kleist-Gedenkjahr mit künstlerischen und wissenschaftlichen Veranstaltungen, Ausstellungen, Theater-, Film- und Musikaufführungen, Publikationen und Wettbewerben, die einem breiten Publikum die Aktualität des Dichters Kleist vor Augen führen sollen. Die Ministerin sprach von einer signifikanten Steigerung der Besucherzahlen im Frühjahr dieses Jahres. Im Zuge des Kleistjahres werde nicht nur das Museum neu gebaut, sondern auch die Grabstätte am Wannsee neu gestaltet. Dafür stelle die Cornelsen-Stiftung 700 000 Euro zur Verfügung.

De Bruyn machte auf die Weltgeltung Kleists aufmerksam, die sich in Resonanz und Interesse widerspiegle. Die Schweiz, wo Kleist zwei Jahre lebte, beteilige sich am Jubiläum, im weißrussischen Minsk interessiere man sich für den Museumsneubau und etwa in Budapest und den USA werde Kleist »wahrgenommen«.

Frankfurt selbst wollte als »Kleiststadt« weiterleben, tat dies allerdings etwas voreilig. Wie der Museumsdirektor sagte, musste vor einigen Jahren der damalige Oberbürgermeister diesbezügliche Schilder wieder abschrauben lassen, weil bestimmte Formalitäten aus der Perspektive des Ordnungsamtes nicht eingehalten worden seien. Ob die Stadt jetzt den Dichter offiziell und rechtmäßig im Wappen trage, konnte Museumsleiter de Bruyn nicht mit Bestimmtheit sagen.

Aufgrund dieser herausragenden Bedeutung erhält das Kleist-Museum als einziges Literaturmuseum des Landes Zuwendungen »im Wege einer institutionellen Förderung«. Das heißt, es hat Anspruch auf regelmäßige staatliche Zuschüsse. Die Veranstaltungsfolge ist eine gemeinsame Initiative des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg. Die Gedenkserie der Veranstaltungen soll am 21. November, also am Todestag des Dichters, mit einer Feier an Kleists Grabstätte am Kleinen Wannsee enden.

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