nd-aktuell.de / 19.07.2011 / Politik / Seite 8

Sechs Anwärter für einen Kandidatenposten

Frankreichs Sozialisten wollen Herausforderer für Präsident Sarkozy im Herbst küren

Ralf Klingsieck, Paris
Die Sozialistische Partei (PS) hat ihre Anwärterliste für den Kandidaten oder die Kandidatin zur französischen Präsidentschaftswahl 2012 abgeschlossen. Sechs Frauen und Männer bewerben sich um den Spitzenplatz.

Mit dem Listenschluss steht fest, dass sich die amtierende Parteivorsitzende Martine Aubry und der Ex-Parteichef François Hollande bewerben, ferner Ségolène Royal, die unterlegene Präsidentschaftskandidatin von 2002, sowie Arnaud Montebourg und Manuel Valls als Vertreter der jüngeren Generation der PS-Politiker. In letzter Minute und recht überraschend kam noch Jean-Michel Baylet hinzu, der Vorsitzende der kleinen Partei der Linken Radikalen, die ein traditioneller Verbündeter der Sozialisten ist und mit ihnen eine gemeinsame Parlamentsfraktion hat. Andere prominente Sozialisten wie die Ex-Minister Laurent Fabius und Pierre Moscovici oder der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe haben verzichtet und wollen andere Kandidaten unterstützen. Aus dem Rennen ist der noch vor Wochen aussichtsreichste Anwärter Dominique Strauss-Kahn, gegen den in New York wegen möglicher sexueller Übergriffe weiter ermittelt wird.

Die Urabstimmung über den PS-Präsidentschaftskandidaten findet in zwei Wahlgängen am 9. und 16.Oktober statt, wobei nicht nur die Parteimitglieder wahlberechtigt sind, sondern auch Sympathisanten der Sozialisten, die sich per Unterschrift unter eine entsprechende Charta zu den Grundsätzen der Partei bekennen. Außerdem müssen alle einen Beitrag in die Wahlkampfkasse einzahlen, der mindestens einen Euro betragen muss, aber nach oben nicht begrenzt ist. Jetzt haben die sechs Anwärter drei Monate Zeit, durch Auftritte und über die Medien für sich und ihre Ideen zu werben.

Zwar haben sich alle Anwärter zu dem unlängst speziell für den Präsidentschaftswahlkampf aufgestellten Grundsatzprogramm der Sozialisten bekannt, doch das ist in vielen Punkten so allgemein, dass noch Raum bleibt für individuellen Zielstellungen, mit denen sich die sechs voneinander abgrenzen können. Martine Aubry (60) will vor allem ihre Erfahrungen als Arbeits- und Sozialministerin der Linksregierung und als langjährige Bürgermeisterin der Großstadt Lille ins Spiel bringen, wo eine erfolgreiche kommunale Sozialarbeit geleistet wird. Ihr Handicap könnte sein, dass sie von vielen nur als schwächerer Ersatz für den ausgefallenen Wunschkandidaten der Sozialisten, Strauss-Kahn, angesehen wird. François Hollande (56), der nach den jüngsten Umfragen Favorit der Sozialisten und ihrer Sympathisanten ist, kann sich auf zahlreiche Politiker und Funktionäre der PS stützen. Er bemüht sich seit Monaten erfolgreich, den Ruf eines blassen Mannes des Parteiapparats abzulegen, unverkrampft auf die Franzosen zuzugehen und sie davon zu überzeugen, dass er im Gegensatz zu Sarkozy ein ernst zu nehmender und »normaler« Präsident sein will. Seine ehemalige Lebensgefährtin Ségolène Royal (57), die 2002 mit viel Vorschusslorbeeren angetreten war, sich dann aber im Präsidentschaftswahlkampf durch viele unsachliche und unseriöse Äußerungen nicht zuletzt gegen die Sozialistische Partei selbst um ihre Chancen gebracht hat, übt dazu heute Selbstkritik. Sie wolle diesmal »kollektiv spielen«, versichert sie. Ansonsten aber wird sie sich wohl wie 2002 vor allem als besonders engagierte Interessenvertreterin der am meisten Benachteiligten präsentieren.

Arnaud Montebourg (48), der vom linken Flügel der PS kommt und wieder stärker die traditionellen Ideale der Linken ansprechen will, strebt eine von Grund auf erneuerte 6. Republik an und fordert, die neoliberale Globalisierung mit allen Mitteln des Staates zurückzudrängen. Manuel Valls (48), der für sich in Anspruch nimmt, die »moderne Linke« zu vertreten, worunter er Sozialdemokratie im Stile von Tony Blair versteht, hat schon mal damit begonnen, Ziele des PS-Programms wie die Rücknahme der Rentenreform und die Schaffung von 300 000 geförderten Arbeitsplätzen für Jugendliche als »unrealistisch und unverantwortlich« zu bezeichnen.

Jean-Michel Baylet (64) schließlich will sich heraushalten aus den Richtungskämpfen in der PS, wie sie durch die Kandidatur-Anwärter ganz offensichtlich neu angefacht werden. Er will sich vor allem für die laizistischen Werte der Republik einsetzen und für ein »föderales Europa«.