Kein Verzicht auf den Mindesturlaub

Leserfragen zum Urlaubsrecht

  • Lesedauer: 3 Min.
Damit ich schnell wegen eines neuen Jobs einen Aufhebungsvertrag vom jetzigen Betrieb erhalte, habe ich auf alle Urlaubsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verzichtet, wollte aber den Rest meines Mindesturlaubs ausgezahlt erhalten. Das lehnte der Arbeitgeber ab, da ich ja auf alle Ansprüche verzichtet hätte. Ist das gesetzlich richtig? (Hans B., Schwerin)

Es ist nicht ungewöhnlich, wenn die Partner des Arbeitsvertrages bei Entgegenkommen des einen zu Gunsten des anderen ein Verzicht auf ausstehende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vereinbaren, gewissermaßen als Gegenleistung. Es gibt aber Grenzen, wenn es um bestimmte gesetzlich zustehende Mindestrechtsansprüche geht. Das betrifft zum Beispiel den Mindesturlaub. Das Bundesarbeitsgericht hat schon 1999 in einem Urteil festgehalten, dass der Mindesturlaub von 24 Werktagen nach § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unverzichtbar ist (BAG-Urteil, Az. 9 AZR 812/96). Selbst wenn im Aufhebungsvertrag vereinbart wird, dass der Arbeitnehmer auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verzichtet, berührt dieser Verzicht nicht den gesetzlichen Mindesturlaub. Würde er aber durch Arbeits- oder Tarifvertrag einen höheren Urlaub erhalten, wäre ein Verzicht auf diesen Teil des Urlaubs durchaus möglich.

Wenn der unverzichtbare Mindesturlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, ist er nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Das bedeutet für Sie, bezogen auf Ihre Leserfrage, dass Sie trotz Verzichtserklärung den nicht genommenen Mindesturlaub in Höhe des Urlaubsentgeltes abgegolten bekommen müssen.Voraussetzung hierfür ist aber, dass Sie den Auszahlungsanspruch noch im Jahr des Ausscheidens geltend machen müssen. Geschieht dies nicht oder verspätet, verfällt der Anspruch. Er wird also nicht auf das folgende Kalenderjahr übertragen, auch nicht bis zum 31. März des Nachfolgejahres.

Dürfen Betriebsferien in großem Umfang angeordnet werden?

Unser Chef hatte schon am Jahresanfang festgelegt, dass die Firma im Dezember Betriebsferien macht. Ich habe somit keinen Urlaub mehr, über den ich frei verfügen kann. Leider habe ich die Tragweite dieser betrieblichen Anordnung nicht erkannt. Ist es überhaupt zulässig, dass der Betrieb in diesem Umfang Betriebsferien anordnen kann? (Markus W., Magdeburg)

Der Arbeitgeber ist berechtigt, Betriebsferien anzuordnen. Er hat dabei die Grundsätze des Urlaubsrechts, besonders den § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), einzuhalten. So muss die Festlegung des Urlaubszeitpunktes so frühzeitig erfolgen, dass sich die Mitarbeiter möglichst schon am Jahresanfang mit ihrer Urlaubsplanung darauf einrichten können. Weiterhin unterliegt die betriebliche Urlaubsplanung, also auch die Festlegung von Betriebsferien, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG). Soweit es einen Betriebsrat gibt, kann der Arbeitgeber nicht einseitig und ohne Zustimmung des Betriebsrates Betriebsferien anordnen. Gibt es keinen Betriebsrat, ist die einseitige Festlegung zulässig. Existieren andere Urlaubswünsche der Arbeitnehmer, die zu einem ganz anderen Zeitpunkt Urlaub machen wollen, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass für den Urlaubstermin der Betriebsferien dringende betriebliche Gründe vorliegen (§ 7 Abs. 1 BUrlG).

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass der Betrieb bei der Anordnung von Betriebsferien nicht berechtigt ist, die gesamte Urlaubsdauer der Beschäftigten auf diese Weise zu »verplanen«. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat schon Anfang der 1980er Jahre die Urlaubsdauer, die per Anordnung oder per Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat festgelegt werden kann, begrenzt. In seiner Entscheidung vom 28. Juli 1981 (BAG-Urteil, Az. 1 ABR 79/79 hat das Bundesarbeitsgericht im Sinne der Urlaubsgrundsätze des § 7 Abs. 1 BUrlG erklärt, dass Betriebe nur drei Fünftel des Jahresurlaubs für Betriebsferien vorsehen dürfen. Über zwei Fünftel muss der Arbeitnehmer frei verfügen können, allerdings und ganz natürlich unter Berücksichtigung des § 7 BUrlG. Er muss schon den Urlaubszeitpunkt für diesen Urlaubsteil mit der Firma abstimmen und nicht willkürlich nehmen. Da das Urlaubjahr in vollem Gange ist, wird man schwerlich die betriebliche Urlaubsplanung umstoßen können. Es sind in solchen Fällen nur noch Einzelentscheidungen und gegebenenfalls Veränderungen möglich.

Prof. Dr. JOACHIM MICHAS

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal