Genossen Bauern gestern und heute

Ein Buch der brandenburgischen Grünen befasst sich mit den Umbrüchen im Agrarsektor und den Folgen

Mit statistischen Daten lässt sich alles untermauern. Das ist nur eine Frage der Auswahl der Zahlen. Ein von der Landtagsfraktion der brandenburgischen Grünen herausgegebenes Buch – »Umbrüche auf märkischem Sand« – illustriert das anschaulich. Vorsorglich verweist die Fraktion darauf, sie teile nicht alle Ansichten.

Waren nun die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in der DDR gar nicht so furchtbar produktiv, weil sie angeblich zu viele Menschen durchfütterten? Oder sind die heutigen Agrargenossenschaften gar nicht so super, weil sie zu wenige Mitarbeiter beschäftigen?

Ein von der Landtagsfraktion der brandenburgischen Grünen herausgegebenes Buch – »Umbrüche auf märkischem Sand« – hinterlässt den schalen Nachgeschmack, hier werde versucht, das Genossenschaftsmodell um jeden Preis zu begraben und den Boden für die Rückkehr der Junker zu bereiten.

Gegenbeispiel Brodowin

Doch so leicht zu packen sind die Grünen nun auch wieder nicht. Sie haben verschiedene, auch kluge Leute eingeladen, ihre Sicht im Buch darzustellen. Honigbiene und Tierfabriken, Naturschutz, Bodenreformaffäre und Gentechnik sind die Themen. Die Meinungen unterscheiden sich, stehen teilweise gegeneinander. Vorsorg- lich verweist die Fraktion darauf, sie teile nicht alle Ansichten.

Sogar für die Behauptung, die generell zu großen Agrarbetriebe in Brandenburg stünden einer ökologischen Landwirtschaft entgegen, findet sich in dem Buch der Grünen gleich das Gegenbeispiel: Das Ökodorf Brodowin ist als Genossenschaft organisiert und ging aus den LPG »8. Mai« und »Lüdersdorf« hervor. Es arbeitet nach den besonders strengen Demeter-Regeln.

Idealistische Chefs

Im Buch kommen sogar die manchmal als rote Barone angefeindeten DDR-Agrarkader zu Wort – zumindest zwei von ihnen. Beide studierten in den 1980er Jahren Landwirtschaft an der Universität Rostock und arbeiteten dann bis zur Wende in einer LPG: Torsten Jülke bei der LPG Pflanzenproduktion in Sonnewalde (Elbe-Elster), Karsten Jennerjahn bei der LPG Pflanzenproduktion in Kunow (Prignitz). Doch dann gingen die beiden LPG-Kader unterschiedliche Wege.

Jülke avancierte zum Vorsitzenden der Agrargenossenschaft Sonnewalde. Er fragt sich heute manchmal, ob er nicht hätte einen eigenen Betrieb gründen sollen. Jülke würde gerne wissen: Wird eine neue Generation von Betriebsleitern noch den notwendigen Idealismus aufbringen? Werden diese Betriebsleiter sich damit abfinden, dass sie eine Agrargenossenschaft maßgeblich mit aufbauen, aber an deren Erfolg nur unwesentlich mehr beteiligt sind als alle anderen Mitglieder?

Doch Jülke wollte Vertrauen nicht enttäuschen – und er half damit auch jenen Genossenschaftsbauern, die sich spezialisiert hatten als Traktoristen oder Melker, die etwas von ihrem Spezialgebiet verstanden, denen aber das Wissen fehlte, allein einen Hof zu führen. Sie wollten Genossenschaftsbauern bleiben, der Hochschulabsolvent sollte ihr Vorsitzender sein. Anders Karsten Jennerjahn. Er verließ seinen alten Betrieb 1991 und begann auf einem kleinen Hof in Schrepkow zu ackern. Den ersten Traktor holte er sich persönlich in Baden ab, fuhr mit Tempo 40 nach Hause.

»Ich kann mir nicht vorstellen, in einem anderen Beruf zu arbeiten, und auch nicht, Landwirtschaft ohne eigenen Hof zu betreiben«, schwärmt Jennerjahn. Der Mann, der den freien Bauern auf eigener Scholle verherrlicht, ist Präsident des christlich-konservativen Bauernbunds, der sich den Grünen als »unbequemer Partner« anbietet.

Freie Entscheidung

Eins steht fest: Langweilig ist dieses Buch keineswegs. Jeder Leser kann sich sein eigenes Urteil bilden. »Ich hatte die brutale Zwangskollektivierung der Bauern in der DDR erlebt und habe darauf gedrängt, dass sie jetzt frei für oder gegen ihre Arbeit in Großbetrieben entscheiden können«, zitiert Grünen-Fraktionschef Axel Vogel den einstigen Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). Stolpe stellte fest: »Viele wollten zusammen bleiben.« Mit dieser Tatsache müssen sich LPG-Gegner abfinden.

»Umbrüche auf märkischem Sand«, oekom, 208 Seiten (brosch)., 14,90 Euro.

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