Viel los in Sommerloch

Besuch in einer kleinen Hunsrück-Gemeinde mit passend-unpassendem Namen

  • Marion Ziegler, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Das sogenannte Sommerloch beschert den Medien jedes Jahr eine Nachrichtenflaute. Journalisten suchen händeringend nach Themen. In der 459-Seelen-Gemeinde Sommerloch in Rheinland-Pfalz ist zu dieser Zeit mehr Medienrummel als sonst.

Sommerloch. Hühner in einem Garten schauen auf die Hauptstraße. Ab und zu fährt ein Auto vorbei, ansonsten hört man Vogelgezwitscher, das Glucksen des Federviehs oder ein entferntes Hämmern. Aus einigen Häusern dringt Kindergeschrei, Musik oder eine Unterhaltung.

Auf den zwölf Straßen im rheinland-pfälzischen Sommerloch im Landkreis Bad Kreuznach ist wenig los. Wer am Ortsrand wohnt, erreicht mit wenigen Schritten die umliegenden Weinberge und Weizenfelder. Die Gemeinde versteckt sich zwischen den Hügeln im Randgebiet des Hunsrücks und ist über schmale Straßen erreichbar.

Nicht alle sind erfreut

Ortsbürgermeister Bernhard Boos (parteilos) gefällt das an seiner Wahlheimat. »Es ist ein kleines Schlaf- und Wohndorf. Man hört kein Flugzeug. Das ist wirklich Erholung.« Seit über 30 Jahren lebt er in Sommerloch und arbeitet in Mainz als Kriminalbeamter. »Viele kommen her und sagen ›Is ja nix los hier, tote Hose‹«, fasst der 58-Jährige die Vorurteile über seine Gemeinde zusammen.

Der doppeldeutige Ortsname lockt immer wieder Journalisten nach Sommerloch, das eine knappe Autostunde von Mainz entfernt liegt. Die Einwohner sind geteilter Meinung über diese Aufmerksamkeit. Boos stört sie nicht. »Ist immer noch ein bisschen Werbung für das Dorf«, sagt er. Zwei Damen in der Gaststätte »Zur Lilie« in der Brunnengasse sind dagegen wenig über Besuch erfreut: »Wir wurden schon oft veräppelt.« Mehr wollen sie nicht sagen.

Aber in Sommerloch ist keineswegs tote Hose. Die 20-jährige Sara Großmann ist vor zwei Jahren mit ihrer Familie hergezogen und weiß: »Eigentlich möchte ich auch für immer hierbleiben.« Es gebe viele Jugendliche und viel zum Feiern – zuletzt vor zwei Wochen beim Feuerwehrfest und am nächsten Wochenende wieder bei der »Kerschekerb«, der Kirschenkirmes. »Irgendwas ist hier immer los.«

Den Ortskern bildet die frisch renovierte Kirche St. Ägidius. »So ne richtige kleine schnuckelige Hochzeitskirche«, schwärmt Boos. Auf dem Kirchvorplatz versammele sich an Heilig Abend das ganze Dorf zu einem kurzen Weihnachtskonzert der musikalischen Sommerlocher. Boos ist mit der Tuba dabei. »Alle geben sich Weihnachtsgrüße, dann geht's nach Hause zur Bescherung. Das ist so schön im Dorf.«

Besonders stolz ist Boos auf seine engagierten Bürger und die lebendige Vereinsszene. »Jeder kennt jeden, da arbeitet jeder mit jedem zusammen und hilft den anderen.« Mehr als ein Dutzend Vereine gibt es in Sommerloch. Am größten ist der Sportverein mit 300 Mitgliedern. Für den neuen Kunstrasenplatz gab es keine Zuschüsse von außen – die rund 300 000 Euro brachten der Verein und die Gemeinde zusammen auf. Auch andere Projekte stellen die Sommerlocher beherzt auf die Beine, so zum Beispiel den karitativen Weihnachtsmarkt: »Das klappt nur, wenn alle im Dorf mitmachen.«

Im Sommer fehlt ein Hotel

Vor einem der Weingüter in der Weinbergstraße steht ein Reisebus aus Bielefeld. Besonders im Sommer gibt es Boos zufolge viele Hoffeste der Weingüter und Gaststätten. Neben dem Schlachtfest im Januar oder dem Naheweinfest im August fehlt natürlich die Fastnacht nicht: Jedes Jahr gebe es einen großen Umzug durch das Dorf. »Dieses Jahr war's gewaltig, mein lieber Mann«, sagt Boos mit einem Augenzwinkern.

»In der Zeit von Juli bis September fehlt ein Hotel«, scherzt der Ortsbürgermeister. »Da ist schon schön was los.« Und sobald die größte Mittagshitze vorbei ist, beleben sich die Straßen ein wenig – von wegen Sommerloch.

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