Dorfkirchen, Gnomen und Fugen

Vielerorts in Deutschland wird in diesem Jahr der 140. Geburtstag von Lyonel Feininger begangen

  • Kurt Dietmar Richter
  • Lesedauer: 3 Min.
Lyonel Feininger war ein bedeutender deutsch-amerikanischer Maler und Karikaturist, in diesem Jahr wird sein 140. Geburtstag begangen. In Feiningers Werk finden sich viele Motive aus der deutschen Provinz – und vielerorts in Deutschland gibt es in diesen Jahr auch Feininger-Veranstaltungen und Ausstellungen.

Als Sohn deutscher Einwanderer war Lyonel Feininger am 17. Juli 1871 in New York zur Welt gekommen. Wenn man in diesen Tagen an seinen 140. Geburtstag denkt, dann sicher zunächst an die so beglückend zahlreichen kristallinen Varianten und Verwandlungen in seinen Bildern, Aquarellen und Holzschnitten, die er während der langen Jahre seiner Tätigkeit in Deutschland – zunächst als zeichnender Karikaturist, später als Maler – geschaffen hat.

Feininger schätzte und achtete ungemein die Leistungen der Architekten und Baumeister von Thüringer und Mecklenburger Dorfkirchen. Er skizzierte sie vor Ort (er nannte das »Naturnotizen«), um sie dann im Atelier zu immer größeren Formen zu entwickeln – bis hin zu monumentalen Kathedralen. Eine ganze Bilderserie entstand zur Dorfkirche Gelmeroda (jetzt Autobahnkirche, gelegen bei Weimar, wo Feininger ab 1919 am neu gegründeten Bauhaus als Meister tätig war), dabei in völlig sublimierter Form »Gelmeroda IX« (zu sehen im Folkwang-Museum Essen). Eine weitere Steigerung finden wir in den Halle-Bildern, die während eines Arbeitsaufenthalts in der Galerie Moritzburg entstanden sind. Sie nutzen ie Architektur vor allem der Kirchenbauten in der Stadt als Motive. Wir bewundern auch Feiningers vorwiegend an der Ostsee gewonnenen Anregungen, die spannend-fantasiereichen Szenen von Wolkengebilden, Strand und Meer, mit Segelbooten, Dampf- und Kirchenschiffen: in Neubrandenburg, Ribnitz und auf den Inseln Rügen und Usedom bis hin zum ehemals pommerschen Deep. Dorfkirchen in Benz und Zirchow erleben ähnliche Metamorphosen wie die im thüringischen Gelmeroda. Bei den Segelschiffen – die er auch selbst als Modellboote entwarf und fahrtüchtig bauen konnte – waren es die Dreieckssegel, deren geometrische Form er nutzte und in seine großen Bilder voller Poesie als Strukturelemente einführte. Strenge Formen, Farben, Licht sind die Basis seines Bildaufbaus. Dabei erscheinen aber immer wieder auch Gnomen, Geister und andere freundliche Zeitgenossen, die Feiningers elementaren Sinn für Heiterkeit vorführen.

Auch Töne, Klänge waren wesentlich für Feiningers gesamten künstlerischen Werdegang. In der Jugend an der Geige ausgebildet, hatte er auf der beständigen schöpferischen Suche nach strengen architektonischen Formmodellen Johann Sebastian Bach entdeckt. Im Alter von 50 Jahren begann er selbst, Fugen zu komponieren. Dreizehn Werke entstanden, drei für Klavier, die übrigen für Orgel (alle mit der »neuen brücke« auf CD herausgebracht).

Das Nazi-Regime hatte Feininger in die Kategorie der »Entarteten« verbannt und alle seine Bilder aus Galerien und Museen entfernen lassen. 1937 verließ Feininger Deutschland für immer – nach fast 50 Jahren intensiven Schaffens und persönlich-privaten Glücks. Er lebte und arbeitete dann im Exil: in seiner Geburtsstadt New York, wo er am 13. Januar 1956 starb.

Zum 140. Geburtstag erinnerte die Künstlerinitiative »neue brücke« gemeinsam mit dem Förderverein in der Kirche Neu Zittau an das Jubiläum, weitere Veranstaltungen folgen am 2. August in der Kunsthalle Rostock, am 3. und 4. August auf Usedom, am 24. September im Konzerthaus Berlin, am 10. Oktober in der Zentral- und Landesbibliothek und am 8. November in Potsdam.

Informationen im Netz unter:

www.dieneuebruecke.de

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