»Da die Hühner ohnehin tot sind ...«

Thüringer Züchter warten seit Keulungsaktion 2007 auf Entschädigung

  • Andreas Hummel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Fund des Vogelgrippevirus H5N1 wurden vor vier Jahren 1200 Gänse, Hühner und Enten auf der Saalfelder Höhe in Thüringen gekeult. Gegen das aus ihrer Sicht »sinnlose Töten« zogen die Züchter vor Gericht. Doch die Justiz lässt sie seither auf eine endgültige Entscheidung warten.

Weimar/Volkmannsdorf. Die weltweite Vogelgrippe-Seuche von einst ist längst in Vergessenheit geraten und hat der Angst vor Dioxin und dem EHEC-Darmkeim Platz gemacht. Nicht so auf der Saalfelder Höhe. Nach dem Fund des Virus H5N1 wurden vor vier Jahren kurzerhand rund 1200 Gänse, Enten und Hühner totgespritzt. Die größtenteils betagten Geflügelzüchter warten bis heute auf eine endgültige Entscheidung der Justiz, ob dies überhaupt rechtens war. Das Geraer Verwaltungsgericht hat schon im März 2008 ein erstes Urteil gesprochen, doch seither liegt der Fall beim Weimarer Oberverwaltungsgericht (OVG). Und liegt und liegt und liegt.

H5N1 bei einer Gans

Gerichtssprecher Hans-Peter Hüsch räumt ein, dass es sich um eines der langwierigsten Verfahren am OVG handelt. »Im Durchschnitt dauern solche Zulassungsverfahren nicht so lange.« Denn im vorliegenden Fall müssen die Richter noch nicht einmal eine Entscheidung über den konkreten Sachverhalt treffen, sondern zunächst einmal nur darüber, ob gegen das Urteil aus Gera überhaupt eine Berufung zugelassen wird. Seit nunmehr drei Jahren steht diese Entscheidung aus.

»Da die Hühner ohnehin tot sind, steht das Verfahren bei uns nicht ganz oben auf der Prioritätenliste«, erläutert Hüsch. Bislang seien immer wieder andere, eiligere Klagen dazwischen gekommen. Zudem machte er personelle Engpässe sowie die insgesamt komplexe Thematik für die lange Verzögerung verantwortlich.

Rückblende: Am 6. Juli 2007 wird bei einer verendeten Gans in Wickersdorf das Virus H5N1 nachgewiesen. Damit tritt nach mehr als einem Jahr der auch für den Menschen gefährliche Erreger wieder bei Nutzgeflügel in Deutschland auf.

Das Veterinäramt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt entscheidet daraufhin, das Nutzgeflügel im Umkreis von drei Kilometern zu keulen. War erst nur von einigen Dutzend Tieren die Rede, schnellte die Zahl rasch auf rund 1200 hoch. Denn etliche Geflügelhalter hatten ihre Tiere nicht gemeldet. Viele büßten nun jäh den Erfolg ihrer jahrzehntelangen Zucht ein – teils bei vom Aussterben bedrohten Rassen. Ein solches »sinnloses Töten« dürfe sich nicht wiederholen, lautet seither die Devise der Züchter. Sie zogen vor Gericht. Denn bei keinem einzigen der getöteten Vögel wurde das Virus entdeckt, so dass sie bezweifeln, dass es sich überhaupt um eine richtige Seuche gehandelt hat. In erster Instanz bekamen sie nicht recht. Das Geraer Verwaltungsgericht wies die Klage von 13 Züchtern zurück. Die Behörden seien rechtmäßig zum Ergebnis gekommen, dass die Tötung der Tiere im Sperrgebiet erforderlich sei, urteilten die Richter.

Unnötig qualvoll

Seither liegt der Fall bei der nächsthöheren Instanz in Weimar. Rechtsanwalt Dirk Büge aus Duisburg, der die Tierfreunde vertritt, hält an seiner Auffassung fest. Er führt etwa an, dass laut einer EU-Richtlinie der Sperrbezirk nur einen Radius von 500 Metern statt drei Kilometern um Wickersdorf hätte betragen können und damit viel weniger Tiere hätten sterben müssen. Zudem sei die Tötung nicht fachgerecht und für die Vögel unnötig qualvoll gewesen, da ein Präparat verwendet wurde, für das die Tiere hätten betäubt werden müssen.

Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass den Klägern grobes Unrecht widerfahren ist, sagt Büge. »Seinerzeit zeigte sich, dass staatlicher Aktionismus nichts mit seriösem Tierseuchenschutz zu tun hatte, aber dennoch mit großem Eifer auf dem Rücken vermeintlich wehrloser Bürger ausgetragen wurde.« Die lange Dauer des Verfahrens sei für die zum Teil betagten Kläger eine zusätzliche Belastung, moniert er.

Zumindest in diesem Punkt verspricht OVG-Sprecher Hüsch baldige Abhilfe: »Wir bemühen uns, in den nächsten drei Monaten über die Zulassung der Berufung zu entscheiden.«

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