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Drunter und Drüber

München: Krimi

  • Barbara Reitter
  • Lesedauer: 2 Min.

Der saloppe Titel »Drunter und Drüber« ist missverständlich – normalerweise steht er für Chaos. Was die Alte Pinakothek in München jetzt als »Drunter und Drüber« präsentiert, sind kunsthistorische Trouvaillen, sind die Ergebnisse wissenschaftlicher Spurensuche. Zwar existiert die Methode der Infrarotreflektografie schon einige Jahrzehnte, doch die überraschenden Ergebnisse wurden größtenteils noch nie öffentlich gezeigt. Kein Wunder, arbeiten die detektivisch gestimmten Forscher doch stets hinter den Kulissen.

Doch zum 175. Geburtstag der Alten Pinakothek ist vieles anders. Zum einen wird ein Highlight nach dem anderen vorgestellt, wird nach »Vermeer in München«, »Cranach in Bayern« und den Schätzen aus dem Depot nun in einer kleinen Sonderschau die unbekannte Seite der Meister des deutschen Mittelalters bzw. der Frührenaissance, Albrecht Altdorfer, Lucas Cranach, Albrecht Dürer, Hans Holbein und Hans Baldung Grien, ans Licht geholt. Das heißt konkret: Das, was dem Betrachter normalerweise verborgen bliebt, also Vorzeichnung oder Skizze zur Komposition eines Werks, kann man sehen. Acht Gemälden stehen acht Infrarotaufnahmen im selben Format gegenüber. Sie zeigen, wie die Künstler auf Holz oder Leinwand vorzeichneten, was sie genauer ausführten, was sie andeuteten. Dabei scheint so manche Gemäldeunterzeichnung wie eine mit größter Akkuratesse und Detailliebe, mit feinstem Lineament und Schraffuren versehene autonome Handzeichnung.

Besonders Baldung Grien besticht bei seiner »Geburt Christi« durch erstaunlich akribische Genauigkeit, denn die Tiere, ein Ochs und ein Esel, sind äußerst liebevoll ausgeführt. Der Augsburger Maler Holbein d.Ä. wiederum veränderte seinen Entwurf auffallend, denn er vertauschte die Figuren zweier Bettler und setzte stattdessen – sozusagen als Abschiedsgeschenk für den Filius, der sich aus der Stadt verabschiedete – sich und seinen Sohn Hans in einen Flügel des Sebastiansaltars. Wie Lucas Cranach im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung seinen Stil verändert hat, demonstriert die »Kreuzigung Christi«, die er noch – im Gegensatz zu späteren Werken – mit präzisen Einzelheiten wie Blick oder Kopfhaltung eigenständig vorzeichnete und malte, während das Gemälde »Kardinal Albrecht von Brandenburg vor dem Gekreuzigten« ja bekanntlich in seiner Werkstatt entstand.

Wer sich einlässt auf den spannenden Arbeitsprozess dieser Künstler, fühlt sich wie im Kunstkrimi. (bis 18.9.)

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