nd-aktuell.de / 27.07.2011 / Kultur / Seite 14

Prima Klima

Die soziale Kälte nimmt zu. Der britische Schriftsteller Mark Ravenhill sieht darin einen bitter angestoßenen Hoffnungsschimmer »für folgenreiche Entrüstungen, denn die Menschen sind nicht für Winter programmiert«.

Wenn er sich da mal nicht irrt. Statt miteinander zu reden, fuhren die Menschen lieber miteinander Schlitten, immer schon. Statt ihr Leben endlich zu ändern, stecken sie leidenschaftlich starr im Schnee von gestern. Wenn es eine Autorität gibt, dann General Winter. In dessen Dienst richten wir sogar noch auf den Sommer Schneekanonen. Die Welt ist in einen einzigen großen Abfahrtslauf geraten. Gesiegt kann nur werden mit kühlem Kopf – und kaltem Herzen unterm dicken Fell. Wer kein eingefrorenes Gesicht hat, wird glatt übersehen. Damit uns der Blick nicht wegrutscht, streuen wir uns Sand in die Augen. Kalt wie Hundeschnauze – wer das sagt, meint immer Menschen. Die Zeichen stehen auf Sturm, alle Aussichten schneeverweht. Der Fortschritt tritt nur noch Lawinen gefährlichster Art los. Tauwetter, das war in der Politik meist nur ein Aprilscherz. Und die Demokratie tanzt auf sehr dünnem Eis. Unser wesentlicher Gemütszustand ist seit langem der Frust, und das klingt keinesfalls zufällig wie – Frost. Sabine Stefan