Grüne verklagen Bundesregierung

Schwarz-Gelb hatte Parlament zum EU-Rettungsschirm unzureichend informiert

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen-Bundestagsfraktion hat beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Regierung eingereicht. Diese habe das Parlament bei der Ausgestaltung des »Europäischen Stabilitätsmechanismus« (ESM) unzureichend informiert.

Wenn zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU wichtige Entscheidungen getroffen werden, wird der Bundestag zuweilen zu einer nachgeordneten Behörde degradiert, der Informationen vorenthalten werden. Beschlüsse sollen dann offenbar ohne kritische Diskussion nur noch abgenickt werden. So dürften sich in den vergangenen Monaten zahlreiche Abgeordnete gefühlt haben, als über den permanenten EU-Rettungsschirm ESM verhandelt wurde, der 2013 in Kraft treten und dann den befristeten Rettungsfonds EFSF ablösen soll.

Vertragsentwurf kam aus Österreich

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat nun – wie bereits seit langem angekündigt – wegen der Informationspolitik der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage eingereicht. »Die Regierung hat den Bundestag nicht, wie im Grundgesetz vorgesehen, umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über die geplante Ausgestaltung des ESM unterrichtet«, erklärte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.

Zudem habe das Parlament von Initiativen der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy oft nur aus den Medien erfahren, sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, gegenüber ND. Den Vertragsentwurf zum Krisenfonds ESM hatte der Bundestag zuerst über das österreichische Parlament erhalten. »Die deutsche Regierung war der Meinung, der Bundestag hätte keinen Anspruch darauf«, monierte Montag. Diese Auffassung hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trotz Aufforderungen von Abgeordneten lange vertreten. Erst Mitte Mai hatte er den Parlamentariern einen Entwurf vorgelegt.

Klage richtet sich nicht gegen den Krisenfonds

Laut Schwarz-Gelb handelt es sich um einen zwischenstaatlichen Vertrag, der deswegen nicht unter die Regelung des Beteiligungsgesetzes für EU-Angelegenheiten fällt. Montag ist dagegen zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht bestätigen wird, dass die Rechte des Parlaments, im europäischen Integrationsprozess beteiligt zu werden, verletzt wurden. Das Verfassungsgericht hatte bereits in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag von 2009 auf stärkeren Mitwirkungsrechten des Bundestages im Rahmen des Beteiligungsgesetzes bestanden.

Montag bekräftigte, dass sich die Klage nicht gegen den ESM wende. Diesen befürworte er ausdrücklich. Durch den Krisenfonds sind Hilfen für hoch verschuldete Euro-Länder nur als letztes Mittel möglich, wenn die Stabilität der Eurozone insgesamt in Gefahr ist. Zudem müssen die betroffenen Staaten Vorgaben zur Haushaltssanierung und wirtschaftspolitische Reformen erfüllen, wenn sie die Hilfen in Anspruch nehmen möchten. Der Vertrag zum Krisenfonds wurde am 11. Juli dieses Jahres von den Staaten der Eurozone unterzeichnet. Er soll bis Ende 2012 ratifiziert werden. Der Bundestag wird im Herbst über die ESM-Gesetze abstimmen.

Der »Europäische Stabilitätsmechanismus« wird parteiübergreifend befürwortet. Nur die LINKE lehnt diesen Fonds, der ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro haben soll, ab. Sie kritisiert, dass dadurch die Krisenursachen nicht beseitigt und die Kosten der europäischen Schuldenkrise sozialisiert würden.

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