Licht, Meer, Moderne

Die Côte d'Azur experimentiert mit zeitgenössischer Kunst

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Moderne Kunst in Nizza: Bild von Martial Raysse
Moderne Kunst in Nizza: Bild von Martial Raysse

Die französische Mittelmeerküste zwischen Nizza und Saint-Tropez wurde seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur das Ziel zumeist betuchter Touristen, sondern auch vieler Künstler, die nicht nur durch das Meer und das Klima, sondern insbesondere durch das Licht und die Farben angezogen wurden. Von ihrem Schaffen zeugen zahlreiche Museen, die Künstlern wie Picasso, Matisse, Bonnard, Léger, Chagall oder Cocteau gewidmet sind.

Viele dieser Museen, in denen fast schon klassisch gewordene moderne Kunst gezeigt wird, beteiligen sich in diesen Monaten an einer großen Aktion, die unter dem Motto »Die Côte d'Azur – ein Experimentierfeld« mit moderner und zeitgenössischer Kunst bekannt machen soll.

Ob Neorealismus, abstrakte und konzeptuelle Kunst, Body Art oder die Verfremdung von industriell hergestellten Gegenständen des täglichen Lebens, mit der junge Künstler die Konsumgesellschaft reflektieren – fast 500 Werke von mehr als 100 Künstlern werden präsentiert. Voraussetzung ist, dass die Künstler von hier stammen oder zumindest eine Zeitlang hier gelebt und gearbeitet haben – egal ob es nun Franzosen wie Yves Klein, Niki de Saint Phalle, César, Arman oder Ausländer wie Calder und Beuys sind. Beteiligt sind 53 Museen, Galerien, Schlösser oder auch ganz ungewöhnliche Ausstellungsorte bis hin zum ehemaligen Schlachthof von Nizza oder der Baustelle des künftigen Cocteau-Museums in Menton.

Zu den größten Expositionen (alle sind bis Ende Oktober zu sehen) gehört die Sonderschau im Museum für Moderne Kunst in Nizza, die unter dem Motto »Die Farbe voran!« Bilder von Henri Matisse, Picasso, Dufy und Yves Klein neben solchen von ganz jungen Künstlern wie beispielsweise Marc Chevalier zeigt, der mit farbigen Plastikstreifen, die in verschiedener Richtung übereinander geklebt werden, plastisch wirkende monochrome Bildkompositionen schafft. Im Fernand-Léger-Museum in Biot erinnert eine Sonderausstellung an die »Gruppe 70« der Künstler Chacallis, Charvolen, Isnard, Maccaferri und Miguel, die vor 40 Jahren viel mit farbig bemalten Textilstreifen und Holzleisten experimentiert und die Grenzen zwischen Malerei und Plastik aufgebrochen haben. Im Schloss von Vence werden Plastiken und Skizzen von Jean Dubuffet neben Arbeiten des jungen Philippe Remette gezeigt, der sich in ungewöhnlichen Fotomontagen selbst in Szene setzt.

Im Keramikmuseum von Vallauris, das reich an Arbeiten von Picasso ist, kann man Plastiken junger Künstler sehen, die sich auf ganz neue Art mit den Möglichkeiten dieses Materials auseinandersetzen. Im Vorraum der Kapelle nebenan, die Picasso 1953 mit Bildern zum Thema Krieg und Frieden ausmalte, hat Aicha Hamu eine der Aussage nach vergleichbare Installation aus blutrot gefärbten Tauen und Lederhäuten von verschiedenen Tieren aufgehängt.

Auch die nach ihrem Ursprung, der Villa Arson, benannte Kunsthochschule von Nizza ist an der großen Aktion beteiligt, sowohl mit einer Präsentation der Diplomarbeiten der jüngsten Absolventen als auch mit einer großen Ausstellung von Werken der inzwischen im In- und Ausland bekannt gewordenen Künstler, die in den vergangenen 50 Jahren hier studiert haben. Darunter auch Video- und Toninstallationen sowie Film- und Fotodokumentationen.

Die Kunsthochschule ist sicher Garant dafür, dass in Nizza auch in Zukunft junge innovative Künstler herangebildet werden, und die Stadt sieht es als eine ihrer Aufgaben an, ihnen, wie bisher schon, leerstehende Gebäude und billige Wohnungen zur Verfügung zu stellen, um ihnen günstige Arbeits- und Lebensbedingungen zu sichern. Da kann man heute bereits auf die nächste große Ausstellungsaktion in 50 Jahren gespannt sein.

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