Ganze Landstriche frei vom Fernverkehr

Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn: Mehr Reisende, aber geringerer Gewinn / Vorstand dennoch zufrieden

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 3 Min.
Rundum zufreiedene Gesichter zeigten die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn, die am Donnerstag erstmals allesamt bei einer Bilanzpressekonferenz auf dem Podium saßen.

DB-Vorstandsvorsitzender Rüdiger Grube verkündete in Berlin das Rekordergebnis des Halbjahresumsatzes und den Zuwachs in allen Positionen, von der Zahl der Reisenden bis zur Nettoverschuldung. An letzterer sei allerdings die erstmalige Abführung von 500 Millionen Euro an den Eigentümer, den Bund, schuld. Zulegen konnte der Schienengüterverkehr, der allerdings im vergangenen Jahr durch die Wirtschaftskrise ein miserables Ergebnis eingefahren hatte. Mehr Reisende zählte die Bahn bei Regionalzügen, besonders, weil sie einige Ausschreibungen von Nahverkehrslinien gewinnen konnte. Dafür erzielte sie einen Gewinn vor Steuern von 477 Millionen Euro, 6,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Dagegen waren es im Personenfernverkehr lediglich 46 Millionen Euro, 42,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2010.

Dieser Absturz, obwohl doch die Bahn »weiterhin auf Erfolgskurs fährt«, wie Grube feststellte, lag gewiss nicht nur am diesmal ausgebliebenen Vulkanasche-Regen und am Ärger der Fahrgäste über die Kapriolen der Fahrzeugtechnik. Entspannen wird sich die Situation bei den Fernzügen nicht, da Siemens die 16 bestellten ICE-3-Züge nicht termingemäß liefert.

Ein weiterer Grund, warum es im Fernverkehr nicht aufwärts geht, kann die fehlende Kreativität des Managements sein. Allein mit Schnäppchen-Aktionen holt man die Bürger nicht in die Fernzüge. Denn gleichzeitig wurden ganze Landstriche frei vom Fernverkehr; die Reisenden werden in Bummelzügen zu den ICE-Linien geschleust. Personenverkehrs-Vorstand Ulrich Homburg wollte eine entsprechende Anfrage nicht kommentieren.

Bei den Verspätungen tritt die Deutsche Bahn die Flucht nach vorn an. Ab September will sie die Verspätungen ihrer Züge im Internet veröffentlichen. So etwas gab es schon einmal unter Bahnchef Johannes Ludewig und wurde von seinem Nachfolger Hartmut Mehdorn wieder abgeschafft. Sofern die Werte ehrlich sind, wäre das eine vertrauensbildende Maßnahme. Für Vorstand Homburg ist es »ein Riesenschritt nach vorn für das Leistungsvermögen des Unternehmens«. Warum man damit solange wartete, wenn die Zahlen besser sind als die Meinung in der Öffentlichkeit, blieb unklar. Allerdings kann diese neue Transparenz dazu führen, dass die zuständige Sparte DB-Netz sich für mehr Pünktlichkeit einsetzt, indem zum Beispiel Langsamfahrstellen schneller beseitigt werden und dabei weniger an die Kosten gedacht wird.

Grube betonte zudem, die viel diskutierte Energiewende könne nur gelingen, wenn auch die Verkehrswende geschafft werde. Im gleichen Atemzug musste er allerdings feststellen, wie sehr der Ausbau des Schienennetzes hinkt. Zu 10 000 Kilometer Autobahn der Nachkriegszeit kamen ganze 1000 Kilometer Bahn-Neubaustrecken. Grube will in erster Linie Hochgeschwindigkeitsstrecken ausbauen.

Der Vorstand und die Bundesregierung seien sich einig, ohne den Ausbau der Schieneninfrastruktur gebe es auch keinen Ausbau des Schienenverkehrs. Eine zweideutige Bemerkung, denn bisher sind die maßgeblich verantwortlichen Politiker am Ausbau des Schienenverkehrs wenig interessiert.

Die Bilanz in Zahlen

1. Halbjahr 2011/1. Halbjahr 2010

Umsatz
18,876 Milliarden Euro/16,102 Milliarden Euro = plus 17,2 Prozent

Verkehrsleistung Schienenpersonenverkehr
38,045 Milliarden Schienenpersonenkilometer/38,098 Milliarden = minus 0,1 Prozent

Zahl der Reisenden
972,5 Millionen/954,1 Millionen = plus 18,4 Prozent

Verkehrsleistung Schienengüterverkehr
56,784 Milliarden Tonnenkilo- meter/52,588 Milliarden = plus acht Prozent

Netto-Finanzschulden
17,29 Milliarden Euro/16,939 Milliarden Euro = plus 2,1 Prozent ND

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal