nd-aktuell.de / 03.08.2011 / Ratgeber / Seite 2

Falsche Behandlung?

Arzthaftung

Der Witwer verklagte das Krankenhaus auf Schmerzensgeld wegen fehlerhafter Behandlung. Seine Frau war 2003 am Meniskus operiert worden. Der Anästhesist Dr. K. ließ im Rahmen der OP-Vorbereitung auch die Lunge der Patientin röntgen. Die radiologische Abteilung der Klinik übergab ihm das Röntgenbild ohne Auswertung. Herr K. fand auf der Aufnahme nichts, was für den Eingriff ein Problem hätte darstellen können.

Was er übersah: eine Verdichtungszone, einen sogenannten Rundherd, der auf ein Lungenkarzinom hindeuten kann. Die Meniskusoperation verlief erfolgreich, doch ein Jahr später wurde bei der Frau Lungenkrebs festgestellt. Daran starb sie 2006. Der Vorwurf des Witwers an die Klinik: Dr. K hätte die Verdichtung in der Lunge erkennen und ihre Ursache abklären müssen.

Die Vorinstanz hatte der Klage stattgegeben. Doch der Bundesgerichtshof konnte keinen schwerwiegenden Behandlungsfehler erkennen und hob das Urteil auf (Az. VI ZR 284/09). Zwar müssten Ärzte auch solche Untersuchungen sorgfältig auswerten, die medizinisch nicht zwingend geboten waren und nur aus Vorsicht veranlasst wurden. Vor ihren Ergebnissen, sozusagen »Zufallsbefunden«, dürften Mediziner nicht die »Augen verschließen« – vorausgesetzt, sie seien nach den Kenntnissen im jeweiligen Fachbereich erkennbar.

Ein Anästhesist sei jedoch kein radiologischer Facharzt. Die Sachverständigen im Prozess seien uneins gewesen, ob er die Röntgenaufnahme den Radiologen hätte vorlegen müssen oder nicht. Diesen Streit müsse die Vorinstanz noch aufklären. Fest stehe nur, dass der Anästhesist das Röntgenbild falsch interpretiert habe (Diagnosefehler). Man könne ihm aber nicht vorwerfen, die medizinisch gebotene Erhebung von Befunden versäumt zu haben – weil er eben annahm, »da sei alles in Ordnung«. Dass dieser Irrtum zum Tod der Patientin geführt habe, sei nicht bewiesen.

Ob bei richtiger Deutung des Röntgenbilds im Frühjahr 2003 die Krankheit einen günstigeren Verlauf genommen hätte oder die Patientin sogar noch leben könnte, sei ungewiss. Ebenso wahrscheinlich sei es, dass der Tumor bereits damals Metastasen gebildet habe. Eine sichere Aussage dazu sei unmöglich.