Malochen für den Brautpreis

Der Albaner von Johannes Naber

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Bitterarm ist es, das Land der Skipetaren, bergig und schön. Eine Männergesellschaft herrscht dort, und wenn die Kamera dem Helden auf den Dorfplatz folgt, vor die karge Kneipe, an die Bar, ist es deshalb nur folgerichtig, dass da draußen nur Männer zum Tratschen und Trinken an Tischchen rumsitzen, dass auch drinnen nur Männer an der Bar lehnen, und auf der Tanzfläche: ebenfalls nichts als Männer tanzen. So bitterarm ist das Land der Skipetaren (und eine solche Männergesellschaft dazu), dass ein heiratswilliger, arbeitsfähiger junger Mann die Frau, die er liebt – und sie ihn –, mit einer Geldsumme erkaufen muss, die nochmal erheblich steigt, wenn die Zukünftige eigentlich schon an einen anderen verkauft war – und außerdem bereits vom jungen Mann schwanger ist.

Die Schande, diese Schande, die muss bei den Brüdern der Braut mit einer größeren Summe abgelöst werden. Wobei zuallererst natürlich mit dem Gewehr gewedelt werden wird, damit die Sache ihre archaische Ordnung hat. Und natürlich findet die männliche Verwandtschaft des jungen Mannes denn auch, eine Frau, die sich schon vor der Hochzeit ... auf die könne man doch ohnehin verzichten. Geld zusammenkratzen, solidarisch, für so eine? Wohl eher nicht. Woher also den Kaufpreis nehmen und nicht stehlen? In Albanien ist eine Summe von 10 000 Euro zumindest auf legalem Weg nicht innerhalb der zeitlichen Grenzen aufzutreiben, die Arben, dem jungen Mann, als Galgenfrist durch die Schwangerschaft gesetzt ist. Im benachbarten Griechenland ist auch nichts mehr zu holen, der Arbeitsertrag zu niedrig, wenn man das Bestechungsgeld für die Visabeschaffung dagegenrechnet.

In Leverkusen dagegen, da lässt sich schon mal das Zehnfache verdienen, wenn man ein Visum hat und ein paar Leute kennt. Geht aber auch ohne Visum. Nur ist das Leben dann eben (noch etwas) härter. »Darfst dich halt nicht erwischen lassen«, zuckt der Gewährsmann mit der Schulter, der eben mit einem feuerroten BMW aus Deutschland zurückkam, wenn's auch bloß ein 3er ist. Und damit nicht ganz so teuer wie der Zwölfzylinder, in dem ein Bekannter von Bekannten jüngst erschossen wurde – der war dann wohl auf der falschen Seite irgendeiner Männergesellschaftsregel gewandelt. Deutschland, das Land der feuerroten BMWs, liegt fern nicht nur im geografischen, sondern auch im ökonomischen Sinne. Und im kulturellen sowieso – sollte man jedenfalls denken. Weil hierzulande zwar wohl auch immer noch eine Männergesellschaft herrscht, aber eine Braut doch im Normalfall selbst die Entscheidung treffen kann, wenn sie heiratet – und warum. Ob mit Kind im Bauch oder ohne.

Der albanische Kontaktmann, der Arben in Deutschland – er landet auf nicht näher ausgeführten Wegen dann doch in Berlin - für ein paar Tage unterbringt, steht kurz davor, seinen gut betuchten deutschen Freund zu heiraten, weil er darin seine einzige Chance sieht, nicht mehr zu den Ärmsten Europas zu gehören. Arben stutzt kurz und kaut dann stumm an seinem Frühstücksbrot weiter, als er das hört. Er hat viel zu lernen in diesem Land, das den Menschen als Ware also offenbar auch kennt, aber in bisher ungeahnten Kombinationen.

Arben selbst hat als illegaler Neuzugang ohne Interessenvertretung oder Sprachkenntnisse zwar ziemlich viel Wert auf dem Arbeitsmarkt, aber den schöpfen andere ab, nicht er. Weshalb denn auch bald klar ist, dass man 10 000 Euro auch im gelobten Deutschland nicht mal eben so verdient, wenn man ganz am unteren Ende der Futterkette steht. Also endet auch Arben als Verkäufer von Menschen, als Helfershelfer von Schleppern, und am Ende mit brutalem Durchsetzungswillen in der Gewaltkriminalität. Der viel zu teuer bezahlte Stern auf dem Kühler des unrecht erworbenen Mercedes, mit dem er in das Land der Skipetaren zurückfährt, ist dann wirklich nichts mehr als der reine Hohn. Und einmal dort, will ihm seine Freundin ohnehin nicht verzeihen, dass er sie in einer Männergesellschaft mit einem »vaterlosen« Kind allein ließ, wenn auch nur für Wochen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal