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Entschädigung wegen Folterandrohung

Verurteilter Mörder Gäfgen erhält mehr als 3000 Euro / Gericht: Polizei hat Menschenwürde verletzt

  • Lesedauer: 2 Min.

Frankfurt am Main (AFP/dpa/ND). Das Land Hessen muss dem Kindsmörder Magnus Gäfgen 3000 Euro Entschädigung plus Zinsen zahlen. Das Geld stehe Gäfgen zu, weil Polizisten in einem Verhör im Jahr 2002 dessen Menschenwürde schwer verletzt hätten, als sie ihm mit Folter drohten, entschieden am Donnerstag die Richter am Landgericht in Frankfurt am Main.

Gäfgen hatte im September 2002 den elfjährigen Jakob von Metzler entführt und getötet. Von den Eltern forderte er Lösegeld. Kurz nach der Geldübergabe nahm ihn die Polizei fest; im Verhör drohte ihm ein Beamter auf Geheiß eines Vorgesetzten Gewalt an, falls er den Aufenthaltsort des Jungen nicht verrate. Gäfgen hatte deshalb das Land Hessen auf 10 000 Euro Schmerzensgeld sowie Schadenersatz verklagt. Die Beamten hätten »durch die Androhung von Schmerzen planvoll und vorsätzlich in die Menschenwürde eingegriffen«, sagte am Donnerstag der Vorsitzende Richter, Christoph Hefter. Dieses höchste Verfassungsgut könne aber keinem Menschen abgesprochen werden, »mag es angesichts der von dem Kläger begangenen Straftat auch schwerfallen«.

Der Beamte hatte Gäfgen in der Vernehmung mit der Verabreichung eines »Wahrheitsserums« gedroht. Auch werde ein Folterspezialist per Hubschrauber eingeflogen, der Gäfgen »unvorstellbare Schmerzen« zufüge. Diese Drohungen seien »in hohem Maße angsteinflößend« gewesen, sagte der Vorsitzende Richter.

Dass der Ermittler selbst in der Vernehmung handgreiflich wurde, habe Gäfgen derweil nicht überzeugend nachgewiesen, urteilte das Gericht. Ebenso wenig sahen es die Richter als erwiesen an, dass der mittlerweile 36-Jährige allein durch die Vernehmung psychische Störungen davontrug. Entsprechend lehnte das Gericht Gäfgens Forderung nach Schmerzensgeld oder Schadenersatz ab.

Die Vertreter des Landes Hessen nahmen das Urteil am Donnerstag positiv auf. »Ich habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass das Gericht weder Schadenersatz noch Schmerzensgeld zugesprochen hat«, sagte der Anwalt des beklagten Bundeslands, Thomas Kittner. Das Gericht habe »keine Verletzung von Körper und Seele« bei Gäfgen festgestellt.

Die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring kritisierte hingegen die Entscheidung. Es sei »ein Urteil, das die Bürger nicht verstehen können«. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte, das zugeteilte Schmerzensgeld für Gäfgen sei »emotional nur sehr schwer erträglich«. »Diese dicke Kröte müsse jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit geschluckt werden«, sagte GdP-Chef Bernhard Witthaut. Kommentar Seite 4

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