Stütze und Stab beim Weg durch dunkle Täler

Wie die Joseph-Tetralogie den Dichter in den Jahren des Exils begleitete – eine Ausstellung

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Eckhard Zimmermann von den »Thomas-Mann-Festspielen in Oberammergau« spricht, ist das zwar ironisch gemeint, aber nicht übertrieben. Der Germanist ist Kurator der Ausstellung »Leiden und Größe im Exil – Der Josephs-Roman und Thomas Mann« im Museum von Oberammergau. Sie begleitet, ergänzt und vertieft, was noch bis Mitte August ein paar hundert Meter weiter im Passionstheater zu sehen ist: Christian Stückls Inszenierung des Romanwerks »Joseph und seine Brüder«. Aufführung, Ausstellung und eine (leider bereits beendete) Vortragsreihe fügen sich zu einem Kunst-Bildungs-Ensemble.

Ein Impuls aus dem Alpenvorland, der kaum zu überschätzen ist. Denn: »Die Erkenntnis«, so der Literaturwissenschaftler Hermann Kurzke, »dass der Joseph-Roman Thomas Manns eigentliches Hauptwerk ist, hat sich bis heute noch nicht durchgesetzt.«

Diese Erkenntnis macht die Oberammergauer Schau bereits in dem als Leitmotiv gewählten Thomas-Mann-Zitat von 1948 deutlich: »Ich bin diesem Werke dankbar, das mir Stütze und Stab war auf einem Wege, der oft durch so dunkle Täler führte – Zuflucht, Trost, Heimat, Symbol der Beständigkeit war es mir, Gewähr meines eigenen Beharrens im stürmischen Wechsel der Dinge.« Von 1926 bis Anfang 1943 arbeitete Mann am Manuskript, davon rund 10 Jahre im Schweizer und US-amerikanischen Exil. Diese Jahre und das politische Geschehen prägten die literarische Ausformung des biblischen Stoffes. Das betrifft sowohl die Vision strikter Humanisierung der Gesellschaft wie die Zeichnung konkreter Figuren. So finden sich bei Josephs planwirtschaftlichem Wirken in Ägypten Züge des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, dessen »New Deal«-Kurs Thomas Mann stark beeindruckte.

Materialsammlungen Manns, Zeitdokumente, Buchausgaben und andere Publikationen verdeutlichen, wie der Joseph-Zyklus entstand und wie sehr er mit dem politischen Engagement des Dichters verwoben ist. Ein Engagement, dass im Exil vor allem darauf setzte, eine Botschaft zu vermitteln, die vom deutschen Volk empfangen wird. Was – Ironie der Geschichte – in der braunen Zeit nur mittels »Volksempfänger« möglich war, wenn man diesen unter Gefahr schwerer Strafe auf den deutschsprachigen Dienst der BBC justierte. Aus einem solchen Gerät im Zentrum der Ausstellung ertönt Manns Stimme mit BBC-Reden 1941-1945, die stets mit den Worten »Deutsche Hörer!« begannen.

Das war lange nach jener Zeit, in der sich Thomas Mann »dankbar für friedliche Tage« zeigte. So schrieb er auf einer Porträtkarte an die Familie Böld, Inhaber einer Pension in Oberammergau (heute: Landhotel Böld). Dort hatte sich Mann mit Frau Katia und Tochter Elisabeth im November 1929 eingemietet, um dem Presserummel in München zu entfliehen, den er nach der Zuerkennung des Literaturnobelpreises erwartete. Über 80 Jahre später ist Thomas Mann wieder in Oberammergau. Eine Rückkehr, die man durchaus spektakulär nennen kann.

Ausstellung bis 6. November 2011

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